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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Verheißung, das mühsam erreichte Ziel nach dem Martyrium eines privilegierten englischen Bildungsgangs. Was auch immer er bis jetzt an Demütigungen und Entbehrungen erlitten haben mag, welche Narben auch immer er von einer scheinbar endlosen Abfolge von Einpaukern, Privatlehrern und immer mieseren Internaten davongetragen haben mag, jetzt hat er das ferne Ufer erreicht, jetzt ist er Rechtsanwalt wie sein Vater, designierter Antragsteller und Zeugenverunsicherer, erfüllt vom brennenden Eifer seiner jungen Jahre und restlos begeistert von seinem Tun.
    Und es gibt vieles, das ihn beflügelt. Schließlich ist das Haus Single zu Beginn der neunziger Jahre nicht irgendeine Anlageberatungsfirma für Risikokapital, sondern, glaubt man dem Wirtschaftsteil der Presse, der »Fahrende Ritter in Gorbatschows Neuem Osten« - Financial Times -, »der verwegen nach vorne drängt, wo andere Häuser zaudern«. »Single zeigt ›Risikobereitschaft par excellence‹« - Telegraph - und »teilt auf der Suche nach Chancen für gesunde Entwicklung und beiderseitigen Profit im Sinne der Perestroika die Nationen des umgestalteten kommunistischen Blocks neu auf« - Independent. Um den dynamischen Gründer der Firma zu zitieren, der seinen Spitznamen Tiger nicht zu Unrecht führt, ist das Haus Single »bereit, jedermann jederzeit und an jedem Ort zuzuhören«, denn man ist fest entschlossen, die »größte Herausforderung an die Wirtschaftswelt unserer Tage« anzunehmen. Tiger spricht von nichts geringerem als dem »Auftreten einer marktorientierten Sowjetunion«. Single verwendet »völlig neue Werkzeuge, ist schneller, mutiger, kleiner und jünger und reist mit leichterem Gepäck« als die ergrauten Riesen der Vergangenheit - Economist. Und für diejenigen, die es lieber sähen, wenn Oliver sich die ersten Sporen etwa bei Kleinwort, Chase oder Barings verdienen würde, hat Tiger ebenfalls eine Antwort parat: »Wir sind Pioniere. Wir erwarten, daß er uns sein Bestes gibt, und zwar sofort.«
    Was Oliver von Single erwartet, ist nicht weniger bewundernswert. »Die Zusammenarbeit mit meinem Vater bedeutet zusätzlichen Gewinn für mich«, erklärt er einer wohlwollenden Chronistin des Evening Standard bei einem Empfang auf der Dachterrasse in der Park Lane, wo sein Eintritt in die Firma gefeiert wird. »Dad und ich hatten immer sehr großen Respekt voreinander. Es wird ein in jeder Hinsicht phantastischer Lernprozeß.« Gefragt, was er in die Firma einzubringen gedenkt, beweist der junge Sprößling, daß auch er sich nicht scheut, aus der Hüfte zu antworten: »Unverschämten Idealismus, aber mit Köpfchen«, erwidert er zu ihrem Entzücken. »Die aufstrebenden sozialistischen Nationen brauchen alle Hilfe, alles Knowhow und alles Geld, das wir ihnen nur anbieten können.« Einem Reporter des Tafter diktiert er eine weitere Single-Wahrheit ins Stammbuch: »Wir bieten eine solide langfristige Partnerschaft ohne Ausbeutung. Enttäuscht werden nur diejenigen sein, die einen schnellen Rubel zu machen hoffen.«
    Ein Kriegsrat, denkt Oliver aufgeregt, als er zur Audienz schreitet. Nach Geringerem steht ihm nicht der Sinn. Seit drei Monaten in der Tretmühle von Alfred Winsers langweiliger Rechtsabteilung beschäftigt, wächst in ihm die Furcht, nicht weiterzukommen. Seine oft geäußerte Absicht, »die Funktion sämtlicher Räder und Schrauben im Haus zu erlernen«, hat ihn in ein Labyrinth von Off-shore-Gesellschaften gebracht, aus dem es in der Lebensspanne eines jungen Menschen kein Entkommen zu geben scheint. Aber heute ist Winser in Bedfordshire, um eine malaysische Handschuhfabrik zu kaufen, und Oliver ist sein eigener Herr. Eine schäbige Hintertreppe führt von der Rechtsabteilung in die obere Etage. Oliver vergleicht sie in seiner Phantasie mit einem Geheimgang aus den Zeiten der Medici und läuft sie, drei Stufen auf einmal nehmend, hinauf. Schwerelos und ohne Blick für irgend etwas anderes als sein Ziel, gleitet er durch Sekretariate und getäfelte Wartezimmer und erreicht schließlich die berühmte WedgwoodFlügeltür. Als er sie öffnet, strahlt ihm ein göttlicher, fast unerträglicher Glanz entgegen.
    »Du hast gerufen, Vater«, murmelt er, sieht aber zunächst nur sein eigenes Lächeln, das unerklärlich auf die Pracht vor ihm projiziert ist.
    Die Sicht wird besser. Sechs Männer erwarten ihn, und zwar stehend, was Tiger, der zwei Handbreit kleiner als die meisten seiner Gegenspieler auf die Welt gekommen ist, gar nicht gern hat.

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