Untitled
nicht: »Moment mal.« Er hörte einfach auf zu reden, bis er sich die Sache überlegt hatte und bereit war, ein Urteil darüber abzugeben.
»Das könnte er damit sagen«, stimmte Brock schließlich zu.
»Zum Beispiel?« fragte Oliver aggressiv.
Wieder ließ Brock ihn warten. »Na ja, Oliver. Zum Beispiel, daß es ihm in seinem Alter ein bißchen an Gesellschaft fehlt.« Oliver sah aus dem Schatten seines Anorakkragens zu, wie Brock durch den Garten schlenderte, an die Verandatür klopfte und »Tanby!« rief. Ein gertenschlankes Mädchen erschien, so groß wie er, aber gut in Form. Hohe Wangenknochen, langer aschblonder Pferdeschwanz und dazu jene Angewohnheit großgewachsener Mädchen, das ganze Gewicht bei abgeknickter Hüfte auf ein Bein zu verlagern. Er hörte sie sagen: »Tanby ist mal kurz weg, Nat.« Starker schottischer Akzent. Er sah, daß Brock ihr den Zettel mit dem Namen des Blumenhändlers gab. Das Mädchen las den Namen, hörte Brock dabei aber zu. Er hörte dessen Gemurmel und stellte sich, informiert wie er war, die Worte dazu vor: Treiben Sie mir denjenigen auf, der vorige Woche den Auftrag für dreißig Rosen nach Abbotts Quay entgegengenommen hat, abzugeben bei Hawthorne, geliefert vom Fahrer eines Mercedes - das Mädchen nickte im Takt zu Brocks gedämpfter Stimme - Ich möchte wissen, wie der Wagen und die Blumen bezahlt wurden, ich brauche Herkunft, Uhrzeit, Datum und Dauer des Anrufs sowie eine Beschreibung der Stimme des Anrufers, falls man das Gespräch nicht aufgezeichnet hat, was aber durchaus möglich wäre, weil viele Firmen das tun. Oliver glaubte, das Mädchen habe ihm über Brocks Schulter einen Blick zugeworfen, und winkte ihr zu, aber sie war bereits auf dem Weg ins Haus.
»Was haben Sie also mit ihnen gemacht, Oliver?« »Mit den Blumen?« »Lassen Sie die Albernheiten.«
»Habe die beiden zu ihrer besten Freundin nach Northampton geschickt. Falls sie das wollen. Norah. Unverheiratete Lesbe.« »Was genau soll ihr gesagt werden?«
»Daß ich auf der richtigen Seite gewesen bin. Ich bin vielleicht ein Verräter, aber kein Verbrecher. Es war richtig, daß sie mein Brock hörte, wie unbeteiligt Olivers Stimme klang, sah, wie er aufstand, sich an Kopf und Schulter kratzte und um sich blickte, als ob er noch einmal rekapitulierte, wo er sich überhaupt befand: der kleine Garten, die gerade beginnende Apfelblüte, das Rumpeln des Verkehrs hinter der Mauer, die viktorianischen Rückseiten der Häuser, jedes in seinem rechtwinkligen Garten, Gewächshäuser, die Wäsche auf der Leine. Sah ihn wieder Platz nehmen. Wartete wie ein Priester auf die Rückkehr seines Beichtkindes. »Muß schlimm für einen Mann wie Tiger sein, wegzulaufen und unterzutauchen, in seinem Alter«, bemerkte er provozierend, denn jetzt reichte es ihm mit Olivers Träumerei. »Falls er das denn wirklich getan hat.« Keine Antwort. »Eben noch genießt er schöne Mahlzeiten, läßt sich von seinem Chauffeur im Rolls Royce herumkutschieren, hat sein ganzes System der Selbsttäuschung unter Kontrolle, alles ist hübsch und gepflegt, und dann wird Alfie plötzlich das Hirn weggepustet, und Tiger fragt sich, ob er als nächster an der Reihe ist. Bißchen kalt da draußen, stelle ich mir vor. Bißchen einsam für einen Mann über sechzig. Ich glaube nicht, daß ich seine Träume haben möchte, und Sie?«
»Halten Sie den Mund«, sagte Oliver.
Brock schüttelte wehmütig den Kopf und sagte unbeeindruckt: »Und ich bin schließlich auch noch da.« »Ja und?«
»Ich jage seit fünfzehn Jahren einen Mann. Ich schmiede Komplotte gegen ihn, meine Haare werden weiß, ich vernachlässige meine Frau. Ich zerbreche mir den Kopf darüber, wie ich ihn zur Strecke bringen kann. Und dann ist plötzlich die Meute hinter ihm her, und er verkriecht sich, und ich habe nur noch den Wunsch, ihm zu helfen, ihm einen heißen Tee zu geben und ihm totale Straffreiheit anzubieten.« »Blödsinn«, sagte Oliver, während Brocks kluge Augen, ihn taxierend, unter der Hutkrempe hervorblinzelten.
»Und Sie sind doppelt so gut wie ich, Oliver, wenn es um feines Gespür geht. Das weiß ich. Es läuft alles auf die Frage hinaus, wer ihn als erster findet. Sie oder die Orlow-Brüder und ihre fröhlichen Gesellen.« Oliver blickte über den Rasen nach der Stelle, wo das Mädchen gestanden hatte, aber sie war längst weg. Er verzog das breite Gesicht wie ein Landbewohner, der seinen Ärger über den Lärm des Stadtverkehrs zum Ausdruck bringt. Dann
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