Untitled
Ausland kann für sich selber sorgen. In England. An der nächsten Straßenecke. Nebenan.« Oliver ließ seine Knie los, umfaßte sie aber gleich wieder mit verschränkten Fingern und starrte ins Gras, als sei dort sein Grab. »Tiger ist Ihr Mount Everest, Oliver. Sie können ihn nicht ersteigen, wenn Sie von ihm weggehen«, sagte Brock sittsam und zog eine abgewetzte lederne Brieftasche aus seinem Jackett, die seine Frau Lily ihm zum dreißigsten Geburtstag geschenkt hatte. »Auf Ihren Reisen schon mal diesen Kerl gesehen?« erkundigte er sich leichthin. Er reichte Oliver ein Schwarzweißfoto, das einen kräftig gebauten, kahlköpfigen Mann zeigte, der mit einer sehr leichtbekleideten jungen Frau am Arm aus einem Nachtklub kam. »Alter Freund Ihres Vaters aus Liverpooler Zeiten. Zur Zeit als ganz hochrangiger bestechlicher Beamter bei Scotland Yard. Hat ausgezeichnete Verbindungen im ganzen Land.« »Warum trägt er keine Perücke?« fragte Oliver spöttisch. »Weil er ein verdammt dreister Mensch ist«, erwiderte Brock wütend. »Weil er öffentlich Dinge tut, die andere Schufte nicht mal heimlich tun würden. Daran geilt er sich auf. Wie heißt er, Oliver? Sie kennen ihn, das sehe ich Ihnen an.«
»Bernard«, sagte Oliver und gab ihm das Foto zurück. »Bernard stimmt. Und der Nachname?«
»Unbekannt. Er ist ein paarmal in die Curzon Street gekommen. Tiger hat ihn in die Rechtsabteilung gebracht, und wir haben ihm eine Villa an der Algarve besorgt.« »Für seinen Urlaub?« »Als Geschenk.«
»Das soll wohl ein Witz sein. Wofür?«
»Wie soll ich das wissen? Ich war bloß für die Eigentumsübertragung zuständig. Erst war die Sache als Verkauf getarnt. Wir waren praktisch schon fertig, aber dann hat Alfie gesagt, es gehe nicht um Geld, ich solle den Mund halten und es ihm überschreiben. Also habe ich den Mund gehalten und es ihm überschrieben.« »Also Bernard.«
»Bernard der Kahle«, bekräftigte Oliver. »Danach ist er auch
noch zum Essen eingeladen worden.«
»Im Kat´s Cradle?«
»Wo sonst?«
»So kenne ich Sie gar nicht - daß Sie einen Nachnamen vergessen.«
»Er hatte keinen. Nur Bernard, eine Off-shore-Gesellschaft.« »Und die hieß?«
»Es war keine Gesellschaft, sondern eine Stiftung. Und dieser Stiftung hat die Gesellschaft gehört. Verschachtelt, und noch mal verschachtelt.« »Und diese Stiftung hieß wie?«
»Dervish, Sitz in Vaduz. Die Dervish-Stiftung. Tiger fand das zu komisch. ›Ich möchte dir Bernard vorstellen, unseren
Bernard, die Gesellschaft gehört Dervish, das Haus gehört der
Gesellschaft.«
»Und wie hieß die im Besitz der Dervish-Stiftung befindliche
Gesellschaft?«
»Irgendwas mit Sky. Skylight, Skylark, Skyflier.« »Skyblue?« »Skyblue Holdings, Antigua.«
»Und warum zum Teufel haben Sie mir das damals nicht gesagt?«
»Weil Sie mich nie danach gefragt haben«, antwortete Oliver genauso heftig. »Wenn Sie mich aufgefordert hätten, ein Auge auf Bernard zu werfen, hätte ich es getan.«
»War es üblich, daß man bei Single mit Villen um sich geworfen
hat?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Hat außer Bernard sonst noch jemand eine Villa geschenkt bekommen?«
»Nein, aber Bernard hat auch noch ein Motorboot bekommen. Eins von diesen superleichten schlanken Dingern. Wir haben oft Witze darüber gemacht, daß er´s, wenn er auf hoher See eine Dame beglückt, nicht allzu sehr zum Schwanken bringen sollte.«
»Wer hat diesen Scherz gemacht?«
»Winser. Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich muß jetzt üben.«
Brock beobachtete, wie Oliver sich reckte, sich mit beiden Händen den Kopf zauste, als ob ihm der Skalp juckte, und dann gemächlich zum Haus ging.
7
»Oliver! Komm bitte her. Gewisse sehr vornehme Herrschaften möchten dich gern kennenlernen. Neue Kunden mit massenhaft neuen Ideen. Genau das Richtige für dich. Und etwas plötzlich, Waffen, sondern Tiger persönlich auf der hausinternen Leitung. Nicht Pam Hawsley, unsere Eisige Jungfrau mit fünfzigtausend Pfund Jahresgehalt, und auch nicht Randy Massingham, unser Stabschef und verruchter Cassius. Sondern Er selbst, leibhaftig auf der Bühne als Stimme des Schicksals. Es ist Frühjahr, wie jetzt, aber vor fünf Jahren. Und es ist Frühjahr im jungen Leben unseres angehenden und einzigen Juniorpartners, der soeben sein Jurastudium abgeschlossen hat, unseres Zarewitschs, unseres rechtmäßigen Erben des königlichen Hauses Single. Oliver ist seit drei Monaten bei Single. Für ihn ist es das Land der
Weitere Kostenlose Bücher