Untitled
alle Dokumente unterschreiben«, sagt Jewgenij während einer Partie Steinzeitbillard, nachdem er sich vergewissert hat, daß außer Hoban, Michail und Schalwa niemand in Hörweite ist. »Sag ihm, wenn sie unterschrieben haben, muß er nach Mingrelien kommen und einen Bären schießen.« »Dann mußt du aber auch nach Dorset kommen und einen Fasan schießen«, entgegnet Oliver, und dann umarmen sie sich.
Diesmal hat er keinen Brief mitzunehmen. Oliver bringt die zwei Nachrichten im Kopf nach Hause. Auf dem Heimflug ist er so begeistert davon, daß er schon fast entschlossen ist, Nina einen Heiratsantrag zu machen. Es ist der 18. August 1991. Zwei Tage später. Es ist Abend, und Nina weint auf Georgisch. Sie weint am Telefon, sie weint, als sie in Olivers Wohnung kommt, sie weint, als sie wie ein altes Paar Seite an Seite auf dem Sofa sitzen und voller Entsetzen im Fernsehen verfolgen, wie das neue Rußland an den Rand der Anarchie taumelt, wie sein kühner Führer von der alten, aus dem Grab erstandenen Garde festgenommen wird, wie Zeitungen verboten werden, Panzer in die Stadt einfahren und die höchste Ebene im Land aus ihren Machtpositionen stürzt und die so hervorragend ausgearbeiteten speziellen Vorschläge für den Handel mit Metallschrott, Öl und Blut mit sich in die Tiefe reißt. Es ist immer noch Sommer in der Curzon Street, doch kein Vogel singt. Öl, Schrott und Blut scheint es nie gegeben zu haben. Sie zu bejahen hieße, ihr Verschwinden zu bejahen. Die aktuellen Geschichtsbücher sind stillschweigend umgeschrieben worden, die jungen Männer und Frauen vom Börsenhandelsraum auf die Suche nach anderer Beute ausgesandt. Ansonsten hat sich nichts, absolut nichts ereignet. Keine zweistelligen Millionenbeträge an Investitionen wurden in den Sand gesetzt, keine Vorausprovisionen verschwendet, keine Schmiergelder an amerikanische Mittelsmänner und Beamte gezahlt, keine Mietanzahlungen für Jumbojets mit Kühlsystemen geleistet. Heizung, Licht, Miete, Autos, Gehälter, Prämien, Krankenversicherung, Ausbildungsversicherung, Telefon und die Unterhaltung von fünf erstklassigen Etagen in der Curzon Street und ihren verschwenderischen Bewohnern sind nicht in Gefahr. Und Tiger berührt das von allen am wenigsten. Sein Anblick großartiger, sein Hayward-Anzug eleganter. Nur Oliver und vielleicht Gupta, Tigers indisches Faktotum - weiß von dem Schmerz, der hinter diesem Panzer steckt, weiß, wie kurz vorm Zusammenbruch der angeschlagene Held jetzt ist. Doch als Oliver von seinem unverbesserlichen Mitgefühl getrieben eine Gelegenheit sucht, den Vater zu bedauern, vergilt es ihm Tiger mit einer Heftigkeit, die Oliver innerlich vor Zorn erbeben läßt. »Ich will dein Mitleid nicht. Ich will deine zärtlichen Gefühle nicht, ich will deine vorsichtigen moralischen Bedenken nicht. Ich will deinen Respekt, deine Loyalität, deinen Verstand so wie er ist, dein Engagement und, solange ich hier der Seniorparmer bin, deinen Gehorsam.«
»Ach so, entschuldige«, murmelt Oliver, und als Tiger weiter unbeugsam bleibt, geht er in sein Zimmer zurück und ruft vergeblich Nina an.
Was ist nur mit ihr? Ihre letzte Begegnung ist nicht sehr glücklich verlaufen. Zuerst redet er sich ein, da müsse eine Intrige Zoyas dahinterstecken. Dann erinnert er sich widerstrebend, daß er betrunken war, daß er Nina in betrunkenem Zustand - freilich nur aus der Güte seines einsamen Herzens heraus - ein paar unbedachte Einzelheiten seiner Verhandlungen mit Onkel Jewgenij, wie sie ihn nennt, ausgeplaudert hat. Er erinnert sich noch dunkel, wie er in einem leichtsinnigen Augenblick bemerkt hat, die Sowjetunion sei ja vielleicht vom Weg abgekommen, aber Single sei einiges abhanden gekommen. Als sie ihn bedrängte, hatte er es für seine Pflicht gehalten, ihr kurz den Plan zu skizzieren, wie Single, unterstützt und inspiriert von ihrem Onkel Jewgenij mit gewissen lebenswichtigen russischen Rohstoffen - zum Beispiel, nun ja, kein sehr schönes Wort: Blut ein Vermögen machen wollte. Worauf Nina ganz bleich wurde, wütend auf seine Brust trommelte, aus der Wohnung stürmte und schwor nicht zum erstenmal, denn auch sie ist nicht frei von mingrelischem Wankelmut -, sie werde niemals wiederkommen. »Sie hat neuen Liebhaber, um sich an dir zu rächen, Oliver«, gesteht ihre besorgte Mutter am Telefon. »Sie sagt, du bist zu Aber was ist mit den Brüdern? Was ist mit Tinatin und den Töchtern? Was ist mit Bethlehem? Was ist mit Zoya? »Die Brüder
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