Untot in Dallas
Vampir, du hast vielleicht Schwein gehabt!“ sagte Farrell zu Bill.
„Dessen bin ich mir durchaus bewußt“, erwiderte mein Liebster, wobei er lächelte, wenn auch leicht unterkühlt.
„Hübsch ist sie und mutig noch dazu!“
„Herzlichen Dank. Wo ist Stan?“ Ich wollte diesen unablässigen Strom an mich gerichteter Lobeshymnen unterbrechen. Nicht nur wurde Bill langsam kribbelig, Farrells junger Begleiter wirkte immer neugieriger. Einmal noch wollte ich meine Geschichte erzählen, ein einziges Mal, mehr nicht!
„Im Eßzimmer“, sagte ein junger Vampir, den ich schon einmal gesehen hatte, denn er war derjenige gewesen, der damals, vor zwei Tagen, die arme Bethany zur Befragung ins Eßzimmer gebracht hatte. Das mußte dann wohl Joseph Velasquez sein. Der Vampir war etwa einen Meter fünfundsiebzig groß. Seiner lateinamerikanischen Herkunft verdankte er eine Hautfarbe, die an gebackenes Toastbrot erinnerte und dunkelglühende Augen, die einem spanischen Grande zur Ehre gereicht hätten. Daß er nun Vampir war, verlieh ihm die Fähigkeit, jedermann ohne mit der Wimper zu zucken niederstarren zu können und die ständige Bereitschaft, Schaden anzurichten. Josephs Blick wanderte auf der Suche nach Ärger unablässig im Zimmer umher. Er war wohl für das Nest so etwas wie der Unteroffizier vom Dienst. „Stan wird sich freuen, euch zu sehen“, erklärte er.
Auf dem Weg ins Eßzimmer musterte ich aufmerksam all die Vampire um mich herum sowie die paar Menschen, die sich heute hier zum Feiern eingefunden hatten. Eric sah ich nicht. Ob er wohl nach Shreveport zurückgekehrt war? „Wo ist Isabel?“ erkundigte ich mich ganz leise bei Bill.
„Isabel wird bestraft“, antwortete Bill, so leise, daß ich ihn fast nicht gehört hätte. Offenbar wollte er laut über dieses Thema nicht reden, und wenn Bill es für richtig befand zu flüstern, dann wußte ich, daß ich besser daran tat, den Mund zu halten. „Sie hat einen Verräter ins Nest geschleppt“, fuhr Bill fort. „Dafür muß sie nun büßen.“
„Aber ...“
„Psst.“
Wir waren im Eßzimmer angekommen und mußten nun feststellen, daß die Vampire sich dort ebenso sehr drängten wie im Wohnzimmer. Stan saß auf dem Stuhl, auf dem er auch vor zwei Nächten gesessen hatte. Er trug auch fast noch dieselben Sachen wie in jener Nacht. Als wir eintraten, erhob er sich, wobei ich an der Art, wie er das tat, ablesen konnte, daß er durch sein Verhalten unseren Status als wichtige Personen hervorheben wollte.
„Miß Stackhouse!“ begrüße er mich förmlich, während er mir äußerst vorsichtig die Hand schüttelte. „Bill.“ Prüfend musterte mich der Fürst von Dallas von oben bis unten; dem Blick seiner verwaschenen blauen Augen entging keine einzige meiner Verletzungen. Seine Brille war entzwei gegangen und mit Tesafilm repariert worden. Stans Tarnung war perfekt, das ließ sich nicht anders sagen. Zu Weihnachten würde ich ihm Ärmelschoner schenken!
„Erzählen Sie uns bitte, was Ihnen gestern alles widerfahren ist und lassen Sie keine Einzelheit aus“, bat Stan.
Sofort mußte ich an Archie Goodwin denken, wie er Nero Wolfe Bericht erstattet. „Für Bill wird das langweilig sein“, gab ich zu bedenken, in der Hoffnung, meinen Vortrag so ein wenig abkürzen zu können.
„Bill hat bestimmt nichts dagegen, sich einmal ein Weilchen zu langweilen.“
Es führte wohl kein Weg daran vorbei. Seufzend begann ich damit, wie Hugo mich im Silent Shore abgeholt hatte. Barrys Namen ließ ich unerwähnt, denn ich wußte nicht, wie er es gefunden hätte, wenn er den Vampiren von Dallas namentlich bekannt geworden wäre. Ich bezeichnete ihn daher nur als 'Pagen im Hotel' . Wenn sie es darauf anlegten, konnten die Vampire natürlich herausfinden, um welchen Pagen es sich dabei handelte.
Als ich erzählte, wie Gabe Hugo zu Farrell in die Zelle gesteckt und dann versucht hatte, mich zu vergewaltigen, verzogen sich meine Lippen zu einem angespannten Grinsen. Mein Gesicht spannte so sehr, daß ich dachte, es würde reißen.
„Warum tut sie das?“ fragte Stan Bill, als sei ich selbst gar nicht im Raum.
„Wenn sie angespannt ist...“, erwiderte Bill.
„Ach so.“ Stan betrachtete mich noch nachdenklicher. Ich langte hoch und fing an, meine Haare zum Pferdeschwanz zusammenzufassen. Bill reichte mir ein Gummiband, das er in der Tasche hatte, und mit einiger Mühe und unter Schmerzen faßte ich mein Haar so zusammen, daß ich das Gummi dreimal darum
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