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Untot in Dallas

Untot in Dallas

Titel: Untot in Dallas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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erkannte ich, daß hier das Image eines Strebers sorgfältig eingeübt worden war, um zu verbergen, wen man da wirklich vor sich hatte: eine Person nämlich, die entschieden ... anders war. Der Vampir trug sein sandfarbenes Haar mit Hilfe von reichlich Gel streng zurückgekämmt; sein Gesicht wirkte schmal und irgendwie nichtssagend. Die Brille mit dem dicken schwarzen Rand war aus Fensterglas und reine Tarnung, das Nadelstreifenhemd aus Leinen steckte in einer Hose aus einem Baumwoll-Polyester-Gemisch. Er war blaß - na, das war ja zu erwarten gewesen - und hatte Sommersprossen; seine Wimpern waren so gut wie unsichtbar und seine Brauen praktisch nicht vorhanden.
    „Bill Compton“, begrüßte uns dieser Stubenhocker.
    „Stan Davis“, entgegnete Bill.
    „Willkommen in Dallas“. Im Englisch des Stubenhockers schwang kaum hörbar ein ausländischer Akzent mit. Er war früher einmal Stanislaus Davidowitz, dachte ich, nur um gleich darauf erschrocken meinen Kopf blitzblank zu putzen wie eine Schiefertafel: Es ging nicht an, daß auch nur ein einziger Vampir mitbekam, daß ich von Zeit zu Zeit einen Gedanken aufschnappte, der sich aus der Stille um ihre Köpfe schlich. Wenn das nämlich ruchbar wurde, dann wäre ich mein Blut im Handumdrehen los, und zwar bis auf den letzten Tropfen!
    Selbst Bill ahnte nichts davon.
    Rasch verfrachtete ich meine Angst in den hintersten Winkel meines Bewußtseins, denn nun richteten sich blasse Augen auf mich und schienen jede auch noch so kleine Einzelheit meiner Erscheinung in sich aufnehmen zu wollen.
    „Sie kommt in einer angenehmen Verpackung daher“, sagte Stan zu Bill. Das war wohl für meinen Vampir als Kompliment gemeint; eine Art wohlwollendes Schulterklopfen sozusagen.
    Bill nahm es mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis.
    Menschen in so einer Situation hätten viel unnützes Zeug gesagt; Vampire verschwenden ihre Zeit nicht mit solchen Dingen. Ein menschlicher Konzernchef hätte sich bestimmt bei Bill nach Erics, Bills unmittelbarem Vorgesetzten, Befinden erkundigt. Er hätte leise Drohungen einfließen lassen für den Fall, daß ich nicht funktionieren und die gewünschte Leistung nicht erbringen würde; er hätte Bill und mir zumindest die wichtigeren Anwesenden im Zimmer vorgestellt. Das Oberhaupt der Vampire von Dallas tat nichts dergleichen. Er hob nur die Hand, woraufhin ein junger Vampir lateinamerikanischer Abstammung mit widerborstigem schwarzen Haar das Zimmer verließ und fast umgehend mit einer jungen Frau, einer Sterblichen, im Schlepptau zurückkehrte. Als die junge Frau mich sah, stieß sie einen Schrei aus und versuchte, sich loszureißen. Der schwarzhaarige Vampir jedoch hielt sie mühelos am Oberarm fest.
    „Hilfe!“ kreischte das Mädchen, und dieser Hilferuf galt mir. „Du mußt mir helfen!“
    Vom ersten Moment an wußte ich, daß diese Frau dumm war. Was hätte ich ihrer Meinung nach gegen ein ganzes Zimmer voller Vampire ausrichten sollen? Ihr Appell war lächerlich. Lächerlich! Das wiederholte ich ein paarmal rasch hintereinander, denn sonst hätte ich das, was ich nun tun mußte, gar nicht tun können.
    Ich fing den Blick der jungen Frau auf und hielt einen Finger hoch, um ihr zu verstehen zu geben, sie solle ruhig sein. Als sie mir dann in die Augen gesehen und mich richtig wahrgenommen hatte, gehorchte sie. Über den hypnotisierenden Blick eines Vampirs verfüge ich zwar nicht, dafür sehe ich aber auch kein Stück bedrohlich aus. Ich sehe aus wie ein Großteil der Mädchen, die in den Kleinstädten der Südstaaten schlechtbezahlter Arbeit nachgehen: blond, mit großem Busen, braungebrannt und jung. Vielleicht wirke ich auf den ersten Blick nicht sehr intelligent. Obwohl ich das eigentlich nicht glaube. Ich glaube vielmehr, daß die Leute (und die Vampire!) einfach davon ausgehen, daß blonde hübsche Mädchen, die schlechtbezahlter Arbeit nachgehen, notwendigerweise auch dumm sein müssen. Für die meisten gehört das einfach zusammen.
    Nun wandte ich mich an Davis, wobei ich froh war, Bill hinter mir zu wissen. „Sie werden verstehen, Mr. Davis“, sagte ich, „daß ich unmöglich vor all dem Publikum hier das Mädchen befragen kann und daß ich wissen muß, was Sie brauchen.“
    Die junge Frau begann zu weinen. Ihr Schluchzen war langsam, herzzerreißend und unter den gegebenen Umständen extrem irritierend.
    Davis heftete die farblosen Augen auf mich, wobei er weder versuchte, mich zu bezirzen, noch mich seinem Willen zu unterwerfen:

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