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Untot in Dallas

Untot in Dallas

Titel: Untot in Dallas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Er beobachtete mich lediglich prüfend und genau. „Dein Begleiter hat von den Einzelheiten meines Abkommens mit seinem Chef Kenntnis“, sagte er. „So habe ich es zumindest verstanden.“ Schon gut! Auch ich hatte verstanden: Ich war es noch nicht einmal wert, daß man mich verachtete. Ich war ja nur ein Mensch. Wandte ich mich an Stan, so war das ungefähr, als würde sich ein Huhn an den Einkäufer von Kentucky Fried Chicken wenden. Trotzdem mußte ich erfahren, worauf meine Arbeit hinauslaufen sollte. „Sie haben alle Vorbedingungen des fünften Bezirks erfüllt“, sagte ich, wobei ich mich bemühte, ruhig und unbeeindruckt zu klingen. „Ich bin mir dessen durchaus bewußt und werde mein Bestes tun. Aber ich kann niemanden befragen, wenn ich nicht weiß, worauf die Befragung hinauslaufen soll.“
    „Wir wollen wissen, wo unser Bruder ist“, sagte Stan nach kurzem Zögern.
    Ich versuchte, nicht ganz so erstaunt auszusehen, wie ich war.
    Einige Vampire, das hatte ich bereits erwähnt, leben allein; Bill zum Beispiel. Anderen ist wohler, wenn sie sich mit einem Klüngel zusammentun - solche Vampirgruppen heißen Nester. Vampire, die eine Weile gemeinsam dasselbe Nest bewohnen, nennen einander Brüder und Schwestern. Einige dieser Nester existierten seit Jahrzehnten. (In New Orleans gab es sogar eines, das bereits mehr als zweihundert Jahre alt war.) Die Vampire in Dallas hausten in einem besonders großen Nest; das hatte ich den Informationen entnehmen können, die Bill mir hatte zukommen lassen, ehe wir abgereist waren.
    Bei mir mag es ja vielleicht nicht zur Gehirnchirurgin gereicht haben, aber daß es für einen Vampir von der Größe und Bedeutung eines Stan Davis nicht nur ungewöhnlich, sondern auch höchst beschämend war, einen Bruder zu verlieren, das wußte ich.
    Beschämen lassen Vampire sich ungefähr ebenso gern wie Menschen.
    „Wenn Sie mir bitte noch die näheren Umstände erläutern könnten“, sagte ich, weiter um einen neutralen Tonfall bemüht.
    „Seit fünf Nächten ist mein Bruder Farrell nicht in sein Nest zurückgekehrt“, sagte Stan.
    Mir war klar, daß sie sich in den von Farrell bevorzugten Jagdgründen bereits selbst umgesehen hatten. Auch wußte ich, daß wahrscheinlich jeder zweite Vampir in Dallas gebeten worden war, nach dem verschwundenen Bruder Ausschau zu halten. Nichtsdestoweniger öffnete ich den Mund, um nach all diesen Dingen zu fragen, wie Menschen es nun einmal tun, auch wenn sie es besser wissen sollten. Da berührte mich Bill leicht an der Schulter, und ich drehte mich zu ihm um. Mein Vampir schüttelte kaum merklich den Kopf. In diesen Kreisen würden meine Fragen als schwerwiegende Beleidigung aufgefaßt werden.
    „Was hat es mit diesem Mädchen auf sich?“ fragte ich statt dessen. Die junge Frau war immer noch still, aber sie zitterte am ganzen Leib. Nur der Vampir mit dem lateinamerikanischen Aussehen schien sie aufrecht zu erhalten.
    „Sie arbeitet in dem Nachtclub, in dem er zuletzt gesehen wurde. Der Club gehört uns; er heißt Bat's Wing.“ Vampire betrieben gern Gaststätten und Bars; das war nur natürlich, denn solche Etablissements werden nachts am stärksten frequentiert. Eine chemische Reinigung, die rund um die Uhr geöffnet ist und deren Management Fangzähne trägt, birgt nun einmal nicht dieselben Reize wie eine mit Vampiren bestückte Bar.
    Vampirbars waren groß in Mode; seit mehreren Jahren waren sie das Heißeste, was das innerstädtische Nachtleben überhaupt zu bieten hatte. Da gab es die erbarmungswürdigen Gestalten, denen Vampire zur Obsession geworden waren, die Fangbanger; sie trieben sich oft kostümiert in den einschlägigen Bars herum, wobei sie hofften, die Aufmerksamkeit eines wirklichen, echten Vampirs auf sich lenken zu können. Die Touristen, die solche Bars aufsuchten, waren an Untoten und Fangbangern gleichermaßen interessiert. Wer in so einer Bar arbeitete, ging stets ein gewisses Risiko ein.
    Ich fing den Blick des dunkelhaarigen Vampirs auf und deutet mit den Augen auf einen Stuhl, der an meiner Seite des langen Eßtischs stand. Der Vampir ließ das Mädchen vorsichtig auf diesen Stuhl gleiten. Nachdenklich blickte ich hinunter auf die junge Frau und machte mich bereit, in ihre Gedanken zu schlüpfen, die ungeschützt waren. Ich schloß die Augen.
    Die junge Frau hieß Bethany. Sie war einundzwanzig und hatte sich immer für ein wildes Mädchen gehalten, eine wirklich tolle, aufsässige Hummel. Daß diese Haltung sie

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