Untot in Dallas
an.
Ungefähr zwanzig Minuten fuhren wir durchs Geschäftsviertel von Dallas, um dann in die Wohngebiete überzuwechseln. Die Häuser, die nun die Straßen säumten, waren bescheiden und glichen kleinen Schuhschachteln; dann wurden sie nach und nach immer größer, als hätten sie Wachstumshormone geschluckt, wobei die Grundstücke, auf denen sie standen, allerdings nicht mitgewachsen waren. Unser Ziel war letztlich eine Riesenvilla, die man auf ein winziges Baugrundstück gequetscht hatte. Selbst im Dunkeln wirkte dieses kleine Rüschenröckchen Land um den Riesenklumpen Haus herum albern.
Ich hätte nichts dagegen gehabt, noch ein wenig herumzufahren und meine Begegnung mit den Vampiren von Dallas noch etwas hinauszuzögern!
Wir parkten auf der Straße vor der Villa - ein anderer Begriff fiel mir für das Haus nicht ein und Bill öffnete mir die Wagentür. Kurz verharrte ich in der geöffneten Tür und zögerte, das - Projekt - zu beginnen. In der Villa warteten Vampire, das wußte ich; viele Vampire. Das festzustellen fiel mir leicht; ebenso wenig, wie es mir schwergefallen wäre, die Anwesenheit vieler Menschen mitzubekommen, ohne das Haus selbst betreten zu müssen. Hätten sich Menschen im Haus aufgehalten, dann hätte ich eindeutig Gedankenströme auffangen können. Bei Vampiren war das anderes. Bei ihnen empfing ich geistige Bilder von ... wie soll ich das sagen? Es gab Löcher in der Luft, die das Haus vor mir füllte, und jedes dieser Löcher stand für einen Vampir. Erst als ich die wenigen Schritte einen gepflasterten Gehweg hinauf zur Eingangstür gegangen war, stiegen mir auch die geistigen Ausdünstungen von Menschen sozusagen in die Nase.
Über der Tür brannte Licht; so konnte ich sehen, daß die Villa aus sandfarbenen Ziegeln gebaut war. Fenster und Holzverkleidungen waren weiß lackiert. Das Licht hatte man aus Rücksicht auf mich brennen lassen, denn jeder Vampir sieht um Längen besser als selbst Menschen mit ausgezeichnetem Sehvermögen. Isabel ging mir voran auf den Hauseingang zu, der von einem Rundbogen aus abgestuften Ziegelsteinen umgeben war. Die Tür selbst zierte ein geschmackvoller Kranz aus Weinranken und Trockenblumen, der den darunterliegenden Spion fast gänzlich verdeckte. Die hier wohnenden Vampire legten großen Wert darauf, sich dem bürgerlichen Leben anzupassen und hatten ihrem Haus geschickt den Anstrich von Normalität gegeben. Auf den ersten Blick unterschied sich das Haus nicht von all den anderen übergroßen Villen, an denen wir vorübergekommen waren. Von außen wies nichts darauf hin, daß Vampire hier hausten.
Aber sie waren da, und zwar in großer Zahl! Ich zählte vier in der Eingangshalle, als ich nun Isabel ins Haus hinein folgte; zwei weitere standen im Flur und mindestens sechs in der riesigen Küche, die aussah, als sei sie entworfen, um dort Mahlzeiten für jeweils mindestens zwanzig Personen zuzubereiten. Da wußte ich sofort, daß das Haus von einem Vampir gekauft und nicht erbaut worden war. Vampire planen ihre Häuser mit winzigen Küchen oder bauen überhaupt keine ein. Sie brauchen ja auch nur einen Kühlschrank für das synthetische Blut und eine Mikrowelle, in der sie sich das Blut bei Bedarf warm machen konnten. Was sollten sie auch kochen?
An der Spüle stand ein langer, schlaksiger Mann und wusch Teller ab; vielleicht lebten hier ja außer den Vampiren auch ein paar Menschen. Als ich an dem Mann vorbeiging, drehte er sich zu mir um und nickte mir zu. Er trug eine Brille und hatte die Hemdsärmel aufgerollt. Ich erhielt jedoch nicht die Gelegenheit, mich mit ihm zu unterhalten, denn Isabel geleitete uns ohne weitere Umschweife in ein Zimmer, das aussah, als sei es das Eßzimmer des Hauses.
Bill war angespannt und auf der Hut. Ich mag ja seine Gedanken nicht lesen können, aber ich kann die Art interpretieren, wie er die Schultern hochzieht. Keinem Vampir ist wohl in seiner Haut, wenn er das Revier eines anderen betritt. Vampire haben für ihr Zusammenleben ebenso viele Regeln und Vorschriften aufgestellt wie jede andere Gesellschaft auch; sie versuchen lediglich, diese Regeln und Vorschriften nicht publik werden zu lassen. Aber langsam begriff ich, wie die Dinge liefen.
Schon bald wußte ich, wer der Anführer der Vampire hier im Haus war. Er gehörte zu denen, die an dem langen Tisch im Eßzimmer saßen und sah aus wie ein Stubenhocker, ein Streber, der nur seinen Computer im Sinn hat. Das zumindest war mein erster Eindruck. Dann jedoch
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