Untot in Dallas
sich die schlafenden und von daher völlig hilflosen Vampire aufhielten. Das Hotel hatte horrende Preise - kein Wunder bei dem zusätzlichen Service. Die beiden Männer, die neben den Fahrstuhltüren Wache schoben, waren groß und wirkten sehr kräftig. Sie steckten wie alle Hotelangestellten in einer schwarzen Uniform. (Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schien alle Welt der Meinung, Vampire seien von der Farbe Schwarz förmlich besessen.) In meinen Augen wirkten die Pistolen, die die beiden Wachposten am Gürtel trugen, riesig; ich muß aber zugeben, daß ich mich mit Handfeuerwaffen nicht besonders gut auskenne. Mir warfen beide nur einen kurzen Blick zu, als ich aus der Fahrstuhlkabine trat; dann konzentrierten sie sich mit leicht gelangweilten Mienen wieder ganz auf die Überwachung des Eingangsbereiches.
Selbst das Personal an der Rezeption war bewaffnet, und hinter dem Empfangstresen hingen Gewehre in einer Vorrichtung, die speziell dafür angebracht worden war. Ich fragte mich, wie weit die Angestellten wohl gehen würden, um ihre Gäste zu schützen. Waren sie bereit, andere Menschen zu erschießen, wenn diese als Eindringlinge kamen? Was wären die juristischen Folgen, wenn so etwas geschah?
In einem der Sessel, die in Abständen den Marmorboden der Eingangshalle zierten, hatte es sich ein Mann mit Brille bequem gemacht. Er mochte etwa dreißig Jahre alt sein, groß und schlaksig mit sandfarbenem Haar. Er trug einen leichten khakifarbenen Sommeranzug aus Leinen, dazu Halbschuhe. Der Tellerwäscher aus dem Nest der Vampire!
„Hugo Ayres?“ fragte ich.
Er sprang auf, um mir die Hand zu schütteln. „Sie sind Sookie? Aber Ihr Haar ... Sie waren gestern nacht blond.“
„Ich bin nach wie vor blond. Das ist nur eine Perücke.“
„Sieht aus wie echt.“
„Wunderbar. Sind Sie so weit? Können wir gehen?“
„Mein Wagen steht vor der Tür.“ Der Mann berührte leicht meinen Rücken, um mir die Richtung zu zeigen, als fürchte er, ich könne ohne seine Hilfe den Weg zur Tür nicht finden. Ich wußte die Höflichkeit dieser Geste zu schätzen, nicht jedoch das, was sie mir unter Umständen unterstellte. Ich versuchte, ein Gefühl dafür zu bekommen, was für ein Mensch dieser Hugo Ayres war. Das Englisch, das er sprach, hatte einen texanischen Einschlag; er hatte sich nicht die Mühe gemacht, es zu nivellieren und den Nachrichtensprechern aus dem Radio anzupassen, die sich eine Mischung aus dem Akzent des nördlichen Mittleren Westens und der Hochsprache der Ostküste zuzulegen pflegten.
„Wie lange sind Sie jetzt schon mit Isabel zusammen?“ fragte ich ihn, als wir in seinem Caprice saßen und gerade dabei waren, die Sicherheitsgurte anzulegen.
„Das dürften mittlerweile elf Monate sein“, erwiderte Hugo. Was für große Hände der Mann hatte - beide Handrücken von Sommersprossen übersät. Es wunderte mich sehr, daß Hugo nicht irgendwo in einem Vorort lebte, zusammen mit einer Frau, die sich Strähnchen ins Haar machen ließ und zwei sandfarbenen, sommersprossigen Kindern.
„Sind Sie geschieden?“ fragte ich impulsiv. Dann tat es mir leid, mit ansehen zu müssen, wie sich sein Gesicht bekümmert verzog.
„Ja“, sagte er. „Noch nicht lange.“
„Das tut mir leid.“ Ich wollte schon nach Kindern fragen, aber dann wurde mir klar, daß mich das eigentlich gar nichts anging. Ich hatte seinen Gedanken gut genug folgen können, um zu wissen, daß er eine kleine Tochter hatte, hatte aber weder Alter noch Namen des Kindes mitbekommen können.
„Stimmt es, daß Sie Gedanken lesen können?“ wollte er von mir wissen.
„Ja, das stimmt.“
„Kein Wunder, daß die Sie so attraktiv finden.“
Autsch , Hugo, das tat weh. „Das ist wahrscheinlich einer der Gründe“, sagte ich, wobei ich mich bemühte, möglichst unbeteiligt zu klingen. „Welchem Broterwerb gehen Sie nach?“
„Ich bin Anwalt“, erwiderte Hugo.
„Kein Wunder, daß Sie für die so attraktiv sind“, sagte ich daraufhin, und mein Tonfall war weiterhin so neutral, wie ich es irgend fertig brachte.
„Das hatte ich verdient, nehme ich an“, sagte Hugo nach einer längeren Pause.
„Vergessen wir das. Wir sollten uns eine gute Geschichte zur Tarnung ausdenken.“
„Könnten wir Schwester und Bruder sein?“
„Das ist denkbar. Ich habe schon Geschwisterpaare erlebt, die einander weniger ähnlich sahen, als wir das tun. Aber wenn wir uns als Liebespaar ausgeben, würde das eher erklären, warum wir so wenig
Weitere Kostenlose Bücher