Untot in Dallas
was mit Bethany geschehen sein mochte, nachdem man sie letzte Nacht aus dem Eßzimmer im Nest der Vampire geführt hatte. Waren an ihr keine Fangzahnspuren festgestellt worden, dann war sie ganz sicher nicht von einem Vampir umgebracht worden. Es kommt nämlich wirklich äußerst selten vor, daß sich Vampire die Gelegenheit zum Blutsaugen entgehen lassen.
Leise schniefte ich vor mich in, der Tränen wegen, die ich zu unterdrücken suchte und auch, weil mir generell miserabel zumute war. Ich ließ mich auf die Couch fallen und durchsuchte meine Handtasche nach einem Bleistift, fand aber nur einen Kugelschreiber, mit dessen Hilfe ich mich dann unter der Perücke am Kopf kratzte. Selbst in der mit einer Klimaanlage ausgestatteten Finsternis des Hotels juckte meine Kopfhaut! Wohl eine halbe Stunde saß ich so da, dann klopfte es an der Tür. Auch diesmal warf ich vorsichtig einen Blick durch den Türspion, und auch diesmal stand Arturo auf dem Flur, über dem Arm ein Bündel Kleider.
„Was Sie nicht wollen, können wir zurückgeben“, sagte er, wobei er mir das Bündel reichte und sich Mühe gab, nicht neugierig auf mein Haar zu starren.
Ich bedankte mich und gab dem Mann ein Trinkgeld. Es fiel mir nicht schwer, mich an all die Annehmlichkeiten zu gewöhnen, die das Leben in diesem Hotel mit sich brachte.
Nun war es nicht mehr lange hin zum geplanten Treffen mit diesem Ayres, Isabels Zuckerschnutchen. Ich ließ den Morgenmantel fallen, wo ich gerade stand und sah mir an, was Arturo mir gebracht hatte. Die blaßgelbe Bluse mit den cremefarbenen Blümchen war genau das richtige, und der Rock ... nun ja. Einen Jeansrock hatte Arturo wohl nicht auftreiben können; so hatte er mir zwei khakifarbene Leinenröcke zur Auswahl gebracht. Aber einer von denen würde wohl auch gehen. Also probierte ich den ersten an. Er lag für meine Zwecke zu eng an, und so war ich froh, daß mir der junge Mann auch gleich noch einen zweiten gebracht hatte, der ganz anders, viel züchtiger, geschnitten war, genau richtig für den Eindruck, den ich machen wollte. Ich schlüpfte in flache Sandalen, steckte mir winzige Ohrringe in die Ohren, und schon war ich fertig zum Ausgehen. Sogar eine alte, schon etwas zerknautschte Strohhandtasche, die das ganze Ensemble abrunden würde, nannte ich mein eigen. Zwar handelte es sich leider um die Handtasche, die ich auch sonst immer trug, aber sie paßte perfekt auch zu meinem neuen Stil. Rasch nahm ich alles heraus, anhand dessen man mich als Sookie Stackhouse identifizieren konnte, wobei ich mir wünschte, darauf wäre ich schon eher gekommen und nicht erst in letzter Sekunde. Welche weiteren dringend erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen hatte ich wohl sonst noch außer acht gelassen?
Fertig getarnt trat ich hinaus auf den stillen Flur. Er sah noch genauso aus, wie er am Abend zuvor ausgesehen hatte. Es gab weder Fenster noch Spiegel, und der Eindruck, völlig eingeschlossen zu sein, war äußerst stark, wozu auch der weinrote Teppich und die in patriotischen Blau-, Rot- und Weißtönen gehaltene Tapete nach Kräften beitrugen. Sobald ich auf den Rufknopf gedrückt hatte, glitt die Fahrstuhltür auch schon auf. Ganz allein fuhr ich hinab ins Foyer. Es gab noch nicht einmal Musik wie sonst immer in Fahrstühlen - das Silent Shore wurde seinem Namen wirklich in allen Punkten gerecht.
Als ich den Fahrstuhl in der Hotelhalle wieder verließ, konnte ich feststellen, daß seine Türen an beiden Seiten von bewaffneten Wachleuten flankiert wurden, die ein wachsames Auge auf den Haupteingang des Hotels gerichtet hielten. Dieser Eingang war offenbar verschlossen. Über den Türen selbst waren Kameras angebracht, und auf einem Bildschirm konnte man verfolgen, was unmittelbar vor dem Hotel passierte. Ein weiterer Monitor vermittelte einen Einblick ins Geschehen auf einem größeren Stück Straße.
Das alles machte den Eindruck, als rechne man hier in nächster Zukunft mit einem schrecklichen Angriff. Erschrocken, stocksteif und mit heftig klopfendem Herzen blieb ich stehen. Nachdem jedoch ein paar Sekunden lang nichts geschehen war, gelangte ich beruhigt zu der Einsicht, die Wachen stünden wohl immer dort und überwachten mit Hilfe der Monitore den Hoteleingang. Deshalb stiegen Vampire in diesem und ähnlich speziell ausgestatteten Hotels ab, wenn sie auf Reisen waren. An den Wachen vor den Fahrstühlen konnte sich nun gewiß niemand vorbeischmuggeln. Also konnte auch niemand in die Zimmer gelangen, in denen
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