Untot in Dallas
arbeiteten, wirkten durchweg völlig durchschnittlich - vielleicht ein wenig geleckter als der gewöhnliche Amerikaner. Es gab sogar ein paar farbige Helfer - und einen gab es, der war nicht menschlich.
Wir kamen an einer zierlichen kleinen Frau lateinamerikanischer Abstammung vorbei. Ihr Blick glitt neugierig über uns - da fing ich ein geistiges Signal von einer Art auf, wie ich es bisher nur einmal zuvor aufgefangen hatte, von Sam Merlotte nämlich. Diese Frau war Gestaltwandlerin! Ihre Augen weiteten sich erstaunt, als sie spürte, daß auch ich 'anders' war. Ich versuchte, ihren Blick aufzufangen. Einen Moment lang sahen wir einander an. Ich bemühte mich, ihr eine Botschaft zu senden; sie strengte sich an, sie nicht zu empfangen.
„Sagte ich schon, daß die erste Kirche auf diesem Gelände in den frühen 60er Jahren errichtet wurde?“ fragte Sarah, als die zierliche Gestaltwandlerin sich an uns vorbeigezwängt hatte, um dann in Windeseile den Flur hinab zu verschwinden. Sie war fast schon nicht mehr zu sehen, da drehte sie sich noch einmal um, und unsere Blicke trafen sich. Die Augen der Frau blickten verängstigt; meine riefen eindeutig um Hilfe.
„Nein“, antwortete ich auf Sarahs Frage, verwirrt über die plötzliche Wendung, die die Unterhaltung genommen hatte.
„Jetzt sind es nur noch ein paar Schritte“, lockte Sarah. „Dann haben Sie die ganze Kirche gesehen.“ Wir hatten die hinterste Tür in diesem Flügel erreicht, durch deren Pendant man im anderen Flügel nach draußen gelangte. Von außen betrachtet schienen die beiden Seitenflügel der Kirche völlig identisch. Klar, meine Beobachtungen waren offensichtlich fehlerhaft gewesen, aber dennoch ...
„Genug Platz haben Sie hier ja“, kommentierte Hugo freundlich. Welch gemischte Gefühle ihn auch umgetrieben haben mochten, sie hatten sich nun alle gegeben. Im Gegenteil: Hugo machte sich überhaupt keine Sorgen mehr. Nur jemand, der über kein hellseherisches Talent verfügt, würde sich in einer solchen Situation keine Sorgen machen.
Auf Hugo traf das mit dem Mangel an hellseherischen Talenten offenbar zu: Er wirkte lediglich interessiert, als Polly die letzte Tür öffnete, die sich am hintersten Ende des Flurs befand. Die Tür, die uns nach draußen hätte führen müssen.
Die statt dessen jedoch in die Tiefe führte.
Kapitel 6
„Nein!“ rief ich spontan. „Ich leide doch ein wenig unter Platzangst! Ehe ich hierherzog, wußte ich gar nicht, wie viele Häuser in Dallas einen Keller haben. Ich muß Ihnen leider gestehen, daß ich den hier nicht besichtigen will. Es geht nicht.“ Um meine Worte zu untermauern, klammerte ich mich hilfesuchend an Hugo, wobei ich versuchte, charmant und gleichzeitig peinlich berührt zu lächeln, als schäme ich mich meiner Schwäche.
Hugos Herz raste, als würde es jeden Moment zerspringen. Ich hätte schwören können, daß der Mann vor Angst völlig außer sich war. Beim Anblick der Kellertreppe war ihm die Ruhe irgendwie mit einem Schlag vergangen. Was war nur los mit ihm? Trotz seiner Angst brachte Hugo es fertig, aufmunternd meine Schulter zu tätscheln und unsere Begleiter entschuldigend anzulächeln. „Vielleicht sollten Marigold und ich lieber gehen“, schlug er vor.
„Nein! Ich finde, Sie müssen unbedingt sehen, was wir da unten alles haben“, rief Sarah, wobei sie fast laut gelacht hätte, so sehr freute sie sich darauf, uns in den Untergrund zu führen. „Wir besitzen einen Bunker, stellen Sie sich das einmal vor! Einen voll eingerichteten Bunker - stimmt's, Steve?“
„Wir haben da unten alles mögliche“, gab Steve ihr recht. Der Mann war immer noch so entspannt, jovial und Herr der Lage wie zu Beginn unserer Begegnung, aber inzwischen fand ich diese Eigenschaften an ihm ganz und gar nicht mehr sympathisch. Nun trat er einen Schritt vor, und da er direkt hinter uns stand, mußte ich es ihm nach tun, denn ansonsten hätte er mich womöglich noch berührt, und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden.
„Kommen Sie!“ Sarah war immer noch hellauf begeistert. „Ich wette, Gabe ist auch unten. Dann kann Steve gleich fragen, was er wollte, während wir uns in aller Ruhe den Rest unserer Einrichtung ansehen.“ Ebenso flink, wie sie uns voran den Flur entlang geeilt war, kletterte Sarah nun auch die Kellertreppe hinunter, wobei sie ihr rundliches Hinterteil schwenkte, ein Anblick, den ich wahrscheinlich niedlich gefunden hätte, wäre ich nicht kurz davor gewesen,
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