Untot in Dallas
gegen das Gesicht gedrückt hielt, zurecht. Direkt über den Nebenhöhlen kann man einfach nur ein bestimmtes Maß an Kälte ertragen.
„Warum hat Josephus auch ausgerechnet gottverdammte Werwölfe kommen lassen?“ flüsterte Luna wütend in mein Ohr. Aber die beiden vorn im Wagen konnten sie trotzdem verstehen, das wußte ich. Sam hört einfach alles, und er ist beileibe nicht so fit wie ein richtiger Werwolf. Zumindest war das meine Einschätzung. Um bei der Wahrheit zu bleiben: Wie sollte ich beurteilen können, wozu ein Werwolf in der Lage war? Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt ja nicht einmal geahnt, daß es Werwölfe wirklich gab!
„Ich nehme an“, sagte ich laut und deutlich, um die Umgangsformen zu wahren, „Dr. Josephus dachte, die beiden würden uns am ehesten verteidigen können, sollten wir erneut angegriffen werden.“
Ich spürte, wie die Wesen auf den Vordersitzen die Ohren spitzten - gut möglich, daß sie das auch wirklich wortwörtlich so taten.
„Wir haben uns doch auch allein nicht schlecht geschlagen“, meinte Luna beleidigt. Sie rutschte unruhig neben mir auf ihrem Sitz hin und her, so aufgeladen, als hätte sie mindestens sechzehn Tassen Kaffee getrunken.
„Luna, wir sind gerammt worden; dein Auto hat einen Totalschaden erlitten; wir waren in der Notaufnahme eines Krankenhauses - was meinst du mit 'gut durchgeschlagen' ?“
Gleich darauf fiel mir aber auch schon selbst die Antwort ein: „Luna, tut mir leid! Du hast mich da rausgeholt! Die hätten mich sonst umgebracht! Es war ja schließlich nicht deine Schuld, daß sie uns hinterher gerammt haben.“
„Ihr beiden hattet heute abend wohl schon eine kleine Keilerei?“ fragte der Beifahrer, wobei er wesentlich höflicher klang als zuvor. Wie gern er an dieser Keilerei teilgenommen hätte, wie liebend gern er sich prügeln wollte. Ich wußte nicht, ob Werwölfe von Natur aus so reizbar waren wie dieser hier oder ob es eine Sache der individuellen Persönlichkeit war.
„Ja, mit der verdammten Bruderschaft“, verkündete Luna, wobei in ihrer Stimme mehr als nur ein kleines bißchen Stolz mitschwang. „Die hatten das Mädel hier in eine Zelle gesteckt. In einen unterirdischen Kerker.“
„Im Ernst?“ fragte die Fahrerin ungläubig. Ihre Aura - ich muß es einfach Aura nennen, ein anderer Ausdruck fällt mir nicht ein - pulsierte auf dieselbe hektische Weise wie die Lunas und des Beifahrers.
„Ja!“ erwiderte ich. „Mein Chef ist übrigens auch Wandler“, fügte ich hinzu, im Bemühen, ein wenig höfliche Konversation zu machen.
„Echt? Was für einen Betrieb hat dein Chef denn?“
„Eine Kneipe. Mein Chef besitzt eine Kneipe.“
„Wo denn? Bis du hier weit weg von zu Hause?“
„Viel zu weit weg“, sagte ich.
„Die kleine Fledermaus hier hat dir heute echt das Leben gerettet?“
„Ja.“ Darüber mochte ich auf keinen Fall Witze machen. „Luna hat mir das Leben gerettet.“ War das mit der Fledermaus ein Spitzname oder ernst gemeint? Wandelte sich Luna am Ende gar wirklich in eine ... ach du meine Güte!
„Bravo, gut gemacht!“ In der tieferen der beiden Knurrstimmen lag eine winzige Spur Respekt.
Luna freute sich über das Lob, ganz zu Recht, wie ich fand, und tätschelte meine Hand. Ein paar Minuten glitten wir durch die Finsternis, ohne daß jemand etwas sagte, wobei sich das Schweigen nunmehr weitaus freundlicher anfühlte als zuvor. Dann verkündete die Fahrerin, wir seien beim Silent Shore Hotel angekommen.
Ich stieß einen tiefen, langen Seufzer der Erleichterung aus.
„Vor der Tür steht ein Vampir und scheint auf jemanden zu warten.“
Fast hätte ich mir die Augenbinde vom Gesicht gerissen, aber in letzter Sekunde wurde mir bewußt, welch würdelose, armselige Geste das gewesen wäre. „Wie sieht er aus?“ fragte ich statt dessen.
„Sehr groß und blond, mit einer ziemlichen Mähne. Freund oder Feind?“
Darüber mußte ich kurz nachdenken. „Freund“, sagte ich dann, wobei ich hoffte, überzeugend zu klingen.
„Lecker“, bemerkte die Fahrerin. „Geht der nur mit Menschen, oder macht er Ausnahmen?“
„Ich weiß nicht. Soll ich ihn fragen?“
Luna und der Beifahrer taten lautstark so, als müßten sie sich gleich übergeben. „Du kannst doch nicht mit einem Toten losziehen!“ protestierte Luna. „Nun mach mal halblang, Deb-Mädel!“
„Schon gut, regt euch ab“, antwortete die Fahrerin. „Ein paar von denen sind noch nicht mal übel. Also, mein kleiner Kalbsknochen,
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