Untot in Dallas
fragte Eric höflich.
„Nein. Ich habe es bisher ja auch geschafft.“ Wäre das Angebot von Bill gekommen, hätte ich es angenommen, ohne mit der Wimper zu zucken. Barry saß am Tresen der Hotelpagen und winkte mir zu. Wenn ich nicht mit Eric zusammengewesen wäre, wäre er sicher herübergekommen. Ich warf ihm einen beredten Blick zu - zumindest hoffte ich, der Blick sei beredt ausgefallen -, der ihm sagen sollte, daß ich mich später mit ihm unterhalten würde, und dann ging mit einem leisen Klingeln die Fahrstuhltür auf, und Eric und ich traten in den Fahrstuhl. Eric drückte auf den Knopf für das dritte Stockwerk und lehnte sich dann gegen den großen Spiegel, der die Wand direkt mir gegenüber zierte. Ich sah ihn an und erhielt dabei auch gleich einen kleinen Eindruck von der miserablen Verfassung, in der ich mich befand.
„Oh nein!“ Der Anblick gab mir den Rest. „Nein!“ wiederholte ich. Ich sah aber auch wirklich zu schrecklich aus: Mein Haar, von der Perücke plattgedrückt und von mir flüchtig mit den Fingern wieder ausgekämmt, war das reine Desaster. Instinktiv flogen meine Finger hoch, um meine Frisur zu richten, ein äußerst schmerzhafter Vorgang und noch dazu sinnlos, und meine Lippen zitterten, so sehr mußte ich mich anstrengen, nicht einfach in Tränen auszubrechen. Dabei war die Sache mit den Haaren noch relativ harmlos! Prellungen und Quetschungen zierten ein Großteil dessen, was von meinem Körper sichtbar war; manche dieser Verletzungen waren harmlos und oberflächlich, andere gingen tiefer und würden eine Weile brauchen, um zu heilen - und das waren nur die Wunden, die man sah. Die eine Hälfte meines Gesichts war geschwollen und verfärbt. Das gebrochene Jochbein zierte direkt in der Mitte eine offene Rißwunde. An meiner Bluse fehlte die Hälfte der Knöpfe, mein Rock war zerrissen und verdreckt. Mein rechter Arm war mit blutigen roten Klümpchen bedeckt.
Nun fing ich doch an zu weinen. Ich sah so fürchterlich aus; bei diesem Anblick verabschiedete sich das, was von meinen Lebensgeistern noch übrig geblieben war.
Man muß es Eric zugute halten, daß er nicht lachte, auch wenn ihm vielleicht zum Lachen zumute war. „Sookie, ein Bad, saubere Kleider, und du bist so gut wie neu!“ versicherte er mir, als sei ich ein Kind, dem man gut zureden mußte, und um die Wahrheit zu sagen fühlte ich mich in diesem Augenblick auch nicht viel älter als ein Kind.
„Die Werwölfin am Steuer fand dich niedlich“, teilte ich Eric schniefend mit. Dann waren wir im dritten Stock und traten aus dem Fahrstuhl.
„Die Werwölfin? Du hast ja heute wirklich allerhand erlebt.“ Mit diesen Worten nahm Eric mich einfach in die Arme, als sei ich ein Bündel Kleider, und drückte mich an sich. Unter dem unablässigen Strom meiner Tränen wurde sein wunderschönes Anzugjackett im Handumdrehen pitschnaß, und auch sein strahlend weißes Oberhemd war auf einmal nicht mehr so blütenrein.
„Entschuldige!“ Besorgt lehnte ich mich zurück, um Erics Anzug zu mustern. Dann tupfte ich hilflos mit meinem neuen Schal daran herum.
„Bitte nicht wieder anfangen zu weinen“, bat Eric verzweifelt. „Wenn du nicht wieder anfängst zu weinen, dann macht es mir wirklich nichts aus, den Anzug in die Reinigung zu geben, das verspreche ich dir! Dann würde es mir noch nicht einmal etwas ausmachen, einen neuen Anzug zu kaufen.“
Eric, der gefürchtete Obervampir, hatte Angst vor heulenden Frauen! Das fand ich so witzig, daß ich kichern mußte. Das Kichern mischte sich unter die Schluchzer, die ich nicht hatte unterdrücken können, und so entstand ein ziemliches Durcheinander.
„Was ist denn so witzig?“ wollte Eric wissen.
Ich schüttelte hilflos den Kopf.
Als wir vor meiner Suite standen, zog ich meine Keycard aus der Tasche, schloß auf, und wir traten ein. „Wenn du willst, helfe ich dir, in die Badewanne zu klettern“, erbot sich Eric charmant.
„Nein danke, das wird nicht notwendig sein.“ Ich sehnte mich nach einem Bad. Baden und diese Kleider nie wieder anziehen müssen, das wäre mir jetzt das liebste gewesen. Aber ich würde gewiß nicht in die Wanne steigen, wenn Eric daneben stand.
„Ich wette, nackt bis du ein Augenschmaus“, sagte Eric, um mich aufzumuntern.
„Das weißt du. Ich bin so lecker wie ein Rieseneclair“, antwortete ich, während ich mich vorsichtig in einen Sessel sinken ließ. „Auch wenn ich mir momentan eher wie Boudain vorkomme.“ Boudain ist eine Soße, die
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