Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)
Stimme durchs Turmzimmer.
Der Projektleiter schluckte. »Es ist unser oberstes Gesetz, dass wir unsere Namen nicht nennen«, stieß er hervor.
Der Navigator zuckte mit den Schultern. »Wir sind doch jetzt unter uns.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf die tanzende Kuttenträgerin am Fenster.
Nachdenklich ließ Imrus seinen Blick auf seiner Freundin ruhen. »Vermutlich hast du Recht, Uger.« Er seufzte. »Aber ohne die anderen hätten wir es vermutlich nicht bis hierher geschafft.«
»Mögen sie in Frieden ruhen«, schnappte Uger mit verstellter Stimme.
»Und für immer auf ihr Rechenschafts-Gespräch mit dem Schöpfer warten«, grinste Imrus.
Uger zeigte erneut auf die Tänzerin. »Was singt deine Ava da eigentlich?«
»Weiß ich nicht.«
Das Gespräch verebbte, als Uger aus dem Fenster in Flugrichtung sah, zum Steuerpult ging und dort die Hebel manipulierte.
Imrus versuchte derweil zu erkennen, was seine Freundin sang. Er sah sie von hinten, wie sie ihren Körper langsam hin und her wiegte, im Takt zu einem Lied, das scheinbar zu einer anderen Welt gehörte. Zu einer Welt, in der es keine Fliegende Stadt namens Savi gab, die unterwegs war, um die Welt zu verändern. In ihrer Welt schien es nur Blümchen und bunte Vögel und heiteren Gesang zu geben. »Scheint die Sonne, in den Brunnen ...«
»Uger«, sagte Imrus.
»Was?«, fragte der Navigator einsilbig, während er am Fenster die Auswirkung seines Kurswechsels überprüfte.
»Sie singt ein Lied von ...« Imrus ließ den Satz unvollendet und kratzte sich am Rücken.
Uger sah zu der Frau hinüber und horchte. Mit ein paar schnellen Schritten war er bei Ava, griff nach ihren Schultern und schüttelte sie. Sofort war Imrus da, stieß den anderen Mann fort. »Lass sie«, zischte er.
»Bruder«, sagte Uger und schob die Kapuze seines Umhangs nach hinten, »deine Gründe für unser Tun sind mir egal. Aber die Kleine bringt das Projekt in Gefahr.«
»Nenn sie nicht klein«, entgegnete Imrus leise. Er starrte Uger an, aber der hielt dem Blick stand. »Hoffentlich vergisst du unser Projekt nicht. So wie ... sie.«
»Ich vergesse nichts.«
»Dann wird Zweiland uns nie vergessen.«
Nun nahm auch Imrus seine Kapuze ab. Ein Lächeln fuhr über sein kaltes Gesicht. »Aber ihn .«
Uger verzichtete auf eine Entgegnung. Er warf der immer noch singenden Ava einen weiteren Blick zu, dann ging er zurück zum westlichen Fenster. »Wir erreichen die Straße morgen in aller Frühe.«
Imrus nickte, dann drückte er Ava an sich. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, aber sie sang nur weiter: »In den Brunnen, deine Augen, leuchten hell ...«
Sie sah starr aus dem Fenster auf einen Punkt im Süden, wo sich die Sonne hinter einer dicken Schicht aus weißen Wolken versteckte.
Unter diesem Fenster lag das einer schmalen Turmkammer. Darin ging ein Mann auf und ab. Drei kleine Schritte, Kehrtwende. Drei kleine Schritte, Kehrtwende.
Der Mann sah zu Boden, er flüsterte fast lautlos. Die rechte Hand kratzte den kahlen Kopf blutig. Die linke Hand drückte und quetschte an einem kleinen Säckchen herum. Es war ein graues Stück Stoff, kräftig verschnürt mit dünnen, stabilen Fäden.
Nur Wantak wusste, was darin war. Und seine Hauptdame, die weit entfernt in Etria erwartete, dass er seine Mission erfüllte.
Das war allerdings unmöglich geworden.
Haupthaupt Tako Wantak murmelte ohne Unterbrechung: »Hühnerstall ... Blümchen ... zehn Fische ... grau ...«
Zeit verging.
»Hügel ... Affen ... Kurve ...«
Weitere Zeit verging.
»Vogel ... Pilz ... acht ...«
Noch mehr Zeit verging.
Irgendwann blieb Wantak stehen. »Das sechste Kapitel.«
Er sah aus dem kleinen Fenster hinaus und holte tief Luft, dann rezitierte er: »Ich, Wahrmut, sah am Himmel einen großen Vogel. Er wurde von einem kleineren begleitet, der seinerseits einen noch kleineren Begleiter hatte ...«
Haupthaupt Wantak musste plötzlich husten, spuckte auf den Boden. Dann sah er wieder hinaus.
»Ich fliege«, hauchte er und hielt sein graues Säckchen vors Fenster. »Schau, wir fliegen!«
Ein wildes Lächeln eroberte seine Züge. Sein Säckchen knetend, säuselte er: »Ich bin ein Vogel ...«
Dann breitete er die Arme aus.
Justitia
Guten Morgen«, lächelte Wahrmut.
»Ja.« Jakeed hatte nicht sonderlich gut geschlafen, obwohl die lila Funken sich alle Mühe gegeben hatten, ihm ein gemütliches Nachtlager zu bereiten.
Er setzte sich an den Tisch rechts neben seinen Schöpfer.
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