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Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)

Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)

Titel: Untot, Intrige und viel Tee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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die Zuschauer begriffen immerhin, dass man von ihnen erwartete, in den Freudentaumel einzustimmen. Die Leute klatschten, quiekten und riefen unverständliche Dinge. Sie kannten sich recht gut damit aus, was man rufen musste, wenn Ketzer verbrannt wurden. Wenn jemand, der behauptete, der Schöpfer zu sein, nicht auf einem Scheiterhaufen stand, musste etwas an der Sache dran sein, und man rief besser etwas anderes als »An-zün-den! An-zün-den!«.
    Als der Jubel leiser geworden war, hob Wahrmut kurz seine Hände. Fast augenblicklich wurde es still.
    »Ich, Wahrmut, frage euch: Zündet man ein Licht an, wenn die Sonne scheint?« Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen, die unschlüssig jeweils zur Hälfte nickte und die Köpfe schüttelte. Manche fragten sich und ihre Nachbarn, was der Schöpfer damit meinen könnte.
    »Ich erkläre es euch nicht. Wer einen Kopf hat, soll damit denken. Und soweit ich sehe, habt ihr alle einen.«
    Die Leute sahen einander an, um sich vom Wahrheitsgehalt dieser Bemerkung zu überzeugen.
    Der Knabenchor hielt das für eine Gelegenheit, erneut in unaussprechlichen Jubel auszubrechen. Vilma machte eine verstohlene Geste und sorgte damit für Ruhe.
    Der Prophet hob wieder eine Hand. »Ich, Wahrmut sage: Hier steht das Hellste Lila Licht, Libi Vilma, Herrin der Lila Kirche und von Ramaschal. Sie hat eine schwere Aufgabe übernommen. Ich bin sicher, dass ihr sie dabei unterstützen werdet.«
    Der Leiter des Knabenchores versuchte erfolglos, seine Jungs dazu zu bringen, Wahrmuts dritten Gesang anzustimmen.
    »Und nun wollen wir aufbrechen, wir haben noch einen langen Weg vor uns.« Wahrmut winkte, und der Knabenchor begriff in diesem Moment, was man von ihm wollte und sang:
     
    Oh, Wahrmut, wir danken dir
    Oh, Wahrmut, die Welt ist groß
    Oh, Wahrmut, ratlos stehn wir hier
    Oh, Wahrmut, wo bist du bloß.
     
    Wahrmut konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dann winkte er erneut und marschierte geradewegs die Straße hinunter, die nach Etria führte. Die Zuschauer bildeten eine Gasse, und der Schöpfer schüttelte viele, viele Hände und schrieb seinen Namen auf unzählige hingehaltene Kalender.
    »Ich wollte mich noch verabschieden«, sagte Bikka, die plötzlich vor Jakeed stand, der die Szene kopfschüttelnd beobachtete.
    »Das«, stotterte der, »freut mich. Ich ... ich nehme an, du kommst also wirklich nicht mit.«
    Bikka schenkte ihm ein Lächeln. »Freut mich, dass du Wahrmut zugehört hast und deinen Kopf benutzt.«
    Armia Pilx tauchte neben Bikka auf. Sie fummelte an ihrem neuen Schwert herum, das sich von ihrem lila Gürtel gelöst hatte, den sie neuerdings trug.
    Die Hexe machte eine Kopfbewegung in Armias Richtung. »Pass ein bisschen auf unsere Leiche auf«, sagte sie, »damit sie unterwegs keine Gliedmaßen verliert.«
    »Natürlich«, sagte Jakeed.
    Bikka ließ einen Moment verstreichen, dann umarmte sie Jakeed.
    »Das hab ich mir schon damals auf dem Scheiterhaufen gewünscht«, murmelte der graue Agent in das Ohr der Hexe. Die piekte ihm mit den Finger in die Seiten, so dass er zurücksprang.
    »Macht euch besser auf den Weg«, sagte sie. Dann drehte sie sich um und marschierte in den Palast, nicht ohne sich zweimal in ihren weiten lila Umhängen zu verheddern.
     
Olger mit dem Bart, um 170-220: Als Reaktion auf die Gründung der Lila Kirche 208 in Ramaschal nennt sich Olger Funkal »Erster Grauer Hauptherrvater«. Er residiert im schwer zugänglichen Grauen Palast Im See Der Mutter Savi, im östlichen Teil Zweilands.
  Aus Hutrolfs Werk »Wichtige Personen Zweilands«
     
    Jakeed starrte zu Boden. Seine schlecht passenden Schuhe wirbelten den Staub der Straße auf. Hier und jetzt, unzählige Schritte von Ramaschal entfernt, war längst die Dämmerung hereingebochen. Immer noch begleitete ein Tross unzähliger Menschen die kleine Gruppe bei Wahrmuts Wanderung.
    Einige Männer gaben mit bemerkenswerter Ausdauer immer wieder »Wahrmut, Wahrmut«-Sprechchöre zum Besten. Sie hatten einen kleinen Handwagen dabei, der, soweit Jakeed wusste, nur ein eilig besorgtes Schnapsfässchen enthielt. Die Männer bedienten sich so ausgiebig, dass man sich spontan die Frage stellte: Wer füllte das Fass eigentlich ständig auf?
    Als ein neuer, besonders lallend vorgetragener Chor einsetzte, erhöhte Jakeed seine Gehgeschwindigkeit, um zu Armia aufzuschließen.
    »Wo ist Wahrmut?«, fragte Jakeed, als er die Untote erreichte.
    Armia zeigte zu einem Gebäude, das vor ihnen, aber

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