Untot - Lauf, solange du noch kannst (German Edition)
aufgefallen, dass das Geschrei aufgehört hatte.« Er knackt mit seinen Knöcheln. »Es war total still. Bis auf ein Zischen; die Fritteusen wahrscheinlich, oder in der Küche ist Wasser gelaufen.« Sein Gesicht nimmt einen verträumten Ausdruck an. »War eigentlich richtig schön.«
»Idyllisch«, schwärmt Smitty.
»Und dann?« Ich beuge mich vor.
»Dann bin ich rüber ins Café gegangen.« Er blinzelt. »Und da lagen sie alle quer über den Tischen. Ohne sich zu bewegen. Wie Mr Taylor.« Er schluckt und ich sehe zu, wie der weiße Klumpen in seiner Kehle, den seine merkwürdige, durchsichtige Haut kaum verhüllt, hoch- und wieder runtergeht. »Als ob sie alle eingeschlafen wären.«
»Das muss voll gruselig gewesen sein«, sage ich.
»Nein!« Seine Augen leuchten und ein Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen. »Es war herrlich! Sie haben alle hilflos dagelegen. Stell dir das vor …« Er beugt sich dicht heran. »Ich konnte tun, was ich wollte! Sie konnten mich nicht daran hindern!«
Smitty seufzt. »Du bist echt ein Fall für die Klapse.«
»Ähm, ja«, sage ich zu Pete. »Und was hast du getan?«
»Gar nichts. Es war bloß einen Moment lang herrlich, dann wurde es doch gruselig.« Er erschaudert. »Sie kamen wieder zu sich. Mr Taylor als Erstes – ich hab dagestanden und die anderen angeguckt und er ist hinter mir aufgetaucht. Er hat mich an der Schulter gepackt. Ich hab mich umgedreht und da war er. Sein Gesicht war voll abartig verzerrt – und er hat total gruselige Laute von sich gegeben. Er hat mich geschnappt und an sich rangezogen. Sein Mund war offen – er hat versucht mich zu beißen.«
»Hammerhart.« Ich schüttele den Kopf. »Und was hast du gemacht?«
»Ich hatte immer noch die PC World in der Hand. Ich hab sie zusammengerollt und ihm in den Mund gestopft, dann bin ich weggerannt.«
»Ha ha!« Smitty lacht. »Du hast ja echt Moves drauf, Albino!«
»Du bist aus dem Café raus?«, frage ich.
Pete nickt. »Rüber zur Tanke. Da war aber abgeschlossen, also bin ich hintenrum gelaufen und da hab ich die Klos entdeckt.«
Irgendwas stimmt da nicht. Ich sehe den Gang hinauf. Alice liegt in der Mitte des Busses quer über zwei Sitzen und hat sich mit ungefähr fünf Skianoraks zugedeckt. »Bevor du weggelaufen bist, hast du da Alice gesehen?«, flüstere ich.
»Nein«, antwortet Pete.
»Sie hat gesagt, als sie aus der Toilette vom Café kam, hat nur Mr Taylor gestanden. Und als wir durch das Fernglas geguckt haben, konnten wir sehen, dass alle immer noch auf den Tischen lagen.«
»Ja und?«
»Eben hast du gesagt, dass ›sie‹ wieder zu sich gekommen sind«, sagt Smitty. Er hat kapiert, worauf ich hinauswill. »Wer ist denn noch aufgewacht, bevor du da raus bist?«
Pete ruckelt unbehaglich herum. »Keine Ahnung. Das hab ich nicht so genau gesehen. Ich hab bloß ein Geräusch gehört – ein Ächzen – und das kam aus einer anderen Richtung, nicht von Mr Taylor.« Er legt die Stirn in Falten. »Dann kam ein Knall – wie eine Tür, die zuschlägt. Ich hab nicht erst gewartet, um zu sehen, wer oder was das war.«
»Könnte es sein, dass du Alice gehört hast, die gerade von der Toilette kam?«, frage ich.
»Könnte sein – wenn sie mit der Tür geknallt hat. Aber ich glaube nicht, dass das Ächzen von ihr kam, weil dann ihre Stimme nämlich um mehrere Oktaven hätte tiefer gerutscht sein müssen.«
Das ergibt keinen Sinn. Alice hat gesagt, dass alle ohnmächtig auf den Tischen oder auf dem Boden gelegen haben. Vielleicht hat Pete sich geirrt. Oder vielleicht hat Alice nicht mitbekommen, dass jemand erst wieder zu sich gekommen und dann noch mal zusammengebrochen ist? Oder derjenige hat das Gebäude verlassen und wir haben ihn einfach nie zu sehen bekommen?
»Danke für den Verband jedenfalls.« Pete lächelt mich verkniffen an, steht auf und geht wieder den Gang hinunter.
Smitty wartet einen Moment. »Glaubst du ihm?«
Ich überlege. »Glaubst du Alice?«
Er zuckt die Schultern. »Wie auch immer, wir hängen jedenfalls mit ein paar schwer Durchgeknallten in diesem Bus fest. Typisch Klassenfahrt eben.«
Wir wechseln uns mit dem Schlafen ab. Ich übernehme die erste Wache, weil ich sowieso viel zu aufgedreht bin. Es ist zu kalt, um die Luke offen zu lassen, also ziehe ich noch einen Fleecepulli und eine Skijacke an und halte eine Stunde lang oben auf dem Dach aus. Es fällt nur ein bisschen Schnee und mein Bein ist zu kalt, um wehzutun. Die Flammen bei der Tanke sind zu
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