Untot - Lauf, solange du noch kannst (German Edition)

immer wieder die Vorderpfoten auf den Boden und schnappt in Cams Richtung.
    Es ist Cam, nur Cam allein, der ihn so sauer macht.
    »O mein Gott«, murmelt Shaq. »Der Kleine. Er ist infiziert.«
    »Nein!«, ruft Lily.
    Cam setzt sich auf und dreht sich zu ihr um. Ich sehe sein Gesicht und der Anblick fährt mir wie ein Messer in den Bauch. Sein pausbäckiges Lächeln ist schwarz und verzerrt und ihm läuft Sabber aus dem Mund.
    Der Hund will nicht aufhören zu bellen.
    »Lily«, sagt Smitty vorsichtig. »Lass ihn hier.«
    »Nein!«, kreischt sie.
    Beim Tisch poltert es; Michael kommt so plötzlich wieder zu sich, als ob ihm jemand einen Eimer Wasser übergekippt hat.
    »Der Kleine ist infiziert!«, ruft Shaq wieder und Michael weicht zurück und stößt gegen Grace.
    Jetzt stehen die alle auf der einen Seite, Smitty und ich auf der anderen, Lily und Cam und der Hund in der Mitte.
    Cam stößt ein unheimliches Stöhnen aus, wie ein Baby, das lebendig begraben worden ist und nun versucht sich die Erde aus der Lunge zu schreien. Er streckt die Arme nach seiner Schwester aus; schwarzes Blut läuft ihm aus dem Mund.
    »Cam …«, schluchzt Lily.
    »Lily!«, ruft Smitty wieder.
    Aber sie breitet ihre Arme aus.
    Grace schreit: »Nein!«
    Und als Bruder und Schwester einander umarmen, gräbt Cam ihr seine Milchzähne in die bebende Schulter.
    Michael und Grace machen einen Satz nach vorne. Smitty zieht mich von der Tür weg und schlägt sie zu, sperrt uns im Turm ein.

Kapitel
 
24
  Ein Trommeln an der Tür.
    So gedämpft, als ob wir unter Wasser sind. Vielleicht liegt es an der dicken Tür, bloß habe ich den Eindruck, über mir selber zu schweben, mich irgendwo unter der Decke um die eigene Achse zu drehen – oder über der Decke, in den Wolken …
    »Bobby. Bobby.«
    Smitty schüttelt mich leicht – oder vielleicht auch richtig doll. Auch das kann ich nicht sagen. Und dann nimmt er mich bei der Hand und zieht mich die Stufen hinauf. Eine Wendeltreppe, die hell erleuchtet ist, weiß, sauber. Das ist keine Burg; eher so, als ob wir plötzlich in einem Raumschiff sind. Die Stufen scheinen endlos weiterzugehen. Mit jedem Schritt kehre ich mehr in meinen Körper zurück.
    Jetzt kommt der Schwindelanfall. Ich sinke auf die schimmernden Stufen.
    »Wir haben Lily im Stich gelassen.«
    Smitty hockt sich neben mich. »Du hast gesehen, wie sie gebissen worden ist.«
    Ich nicke.
    »Cam war infiziert.« Smitty hört sich an, als ob er sich selbst überzeugen will, aber mich braucht er nicht zu überzeugen. Daran besteht kein Zweifel. Nicht der geringste Zweifel.
    »Noch sind sie nicht tot.« Ich reibe mir das Gesicht und springe auf. Mir rauscht das Blut in den Ohren. »Grace hat gesagt, dass es hier oben ein Gegenmittel gibt. Wir sollten sie reinlassen – vielleicht kann sie Cam und Lily immer noch retten …«
    »Nein!« Smitty schüttelt den Kopf. »Sie hat gesagt, es funktioniert nicht mehr, wenn man sich schon verwandelt hat.«
    »Dann eben Lily!«
    »Wir wissen nicht mal, ob Grace überhaupt die Wahrheit gesagt hat.«
    »Wenn es ein Gegenmittel gibt, dann geh ich es eben selbst holen.« Ich drängele mich an ihm vorbei und stapfe die Stufen hoch. »Ich lasse Lily nicht da unten, ohne es wenigstens zu versuchen, auch wenn wir Cam nicht mehr retten können.«
    »Wir hätten …« Smittys Stimme klingt leise und voller Schmerz. » Ich hätte mich besser um ihn kümmern sollen. Oder wenigstens nach ihm sehen. Der arme kleine Kerl.«
    Ich bleibe stehen und sehe verdattert zu ihm nach hinten. Der Smitty, den ich kenne, macht nie einen auf Häuflein Elend. Ich weiß nicht, ob ich gerührt oder entsetzt sein soll.
    »Du darfst dich deswegen nicht fertigmachen.« Ich riskiere es und lege ihm leicht meine Hand auf den Arm. Wir blicken uns eine Sekunde lang in die Augen. »Er muss sich schon angesteckt haben, bevor wir ihn überhaupt kannten.«
    »Lily.« Smitty holt tief Luft und berührt kurz meine Hand. »Es besteht immer noch die Chance, dass das Gegenmittel bei ihr wirkt. Es dauert unterschiedlich lange, bis sich jemand verwandelt – bei Mr T ging es praktisch sofort los, bei den Leuten im Café nach ein paar Minuten –, aber bei Cam hat es Tage gebraucht.«
    »Dann müssen wir es versuchen!« Ich drehe mich um und haste weiter die Stufen hinauf, bevor ich es mir noch anders überlegen kann.
    Oben angelangt laufe ich durch einen bogenförmigen Durchgang.
    Der Raum vor mir ist ein ganzes Stück größer, als ich