Untot - Lauf, solange du noch kannst (German Edition)
der Rückenlehne von Petes Stuhl, als ob er sich nur mit Mühe verkneifen kann in den Bildschirm des Laptops reinzuspringen.
Pete hält inne und pult an dem Schorf seiner Kopfwunde herum. »Das ist voll schräg. Und clever. So was habe ich noch nie gesehen.«
»Was denn?«, brüllt ihm Smitty ins Ohr.
Pete grinst zu ihm hoch. »Du kennst doch diese Sperren, die deine Eltern auf deinem Laptop aktivieren, damit du nicht nachsehen kannst, wie man eine Bombe aus Haushaltsgegenständen bastelt, oder zum Perversen wirst, weil du dir irgendwelche nackten Bräute anguckst?«
»Und wie er die kennt«, spottet Alice.
»Also«, Petes Lächeln wird breiter, »so was haben sie hier auch gemacht. Sie haben Sperren eingerichtet, so dass wir keine Websites ansteuern können, die ihnen nicht in den Kram passen.« Sein Lächeln erlischt. »Also praktisch gar keine.«
»Gar keine?«, frage ich. »Dann geht E-Mail auch nicht?«
»Es gibt einen E-Mail-Server, aber der ist passwortgeschützt.« Er drückt ein paar Tasten. »Kein richtiger Internetzugang, nur ein Browser, der mich nicht browsen lässt. Ich hab mir die Chronik angeschaut. Da kommt nur eine einzige Website drin vor. Irgendwas namens Xanthro Industries.«
Smitty runzelt die Stirn. »Xanthro Industries, was soll das denn sein? Klingt wie ein Pharmakonzern. Sind das die Bösen?«
Ich spüre, wie der Raum langsam zu schwanken anfängt. In Ermangelung von etwas Besserem setze ich mich schwer auf den Fußboden.
»Was ist denn mit dir los?«, fragt Alice und weicht mit großen Augen vor mir zurück. »Muss ich wieder ein Messer holen? Verwandelst du dich gerade?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein.« Ich schiebe meine Hand in die Tasche und schließe meine Finger um das Foto. Das Foto der vierjährigen Roberta.
Smitty schaut auf mich herunter. Er mustert mich. »Xanthro Industries. Du weißt, was das für ein Laden ist, stimmt’s?«
Ich sehe zu ihm hinauf.
Ich nicke.
»Xanthro Industries ist die Firma, für die meine Mutter arbeitet.«
Kapitel
25
Kaum habe ich es ausgesprochen, da bereue ich es natürlich. Weil jetzt alle drei von mir abrücken, als wäre ich der Staatsfeind Nummer eins.
»Deine Mutter?«
Pete guckt mich voll angeekelt an, als hätte ich ihm gerade auf die Schuhe gekotzt. Es ist fast zum Lachen. Ich spüre, wie ein Kichern in mir aufsteigt, unterdrücke es aber. Bringt wirklich nichts, jetzt durchzudrehen.
Meine Mutter. Meine Mutter.
»Xanthro Industries ist ein pharmazeutisches und biotechnologisches Unternehmen.« Pete hat ein wachsames grünes Auge auf den Laptop gerichtet und das andere auf mich für den Fall, dass ich losspringe und ihm den Kopf abbeißen will.
»Ernsthaft, ja?« Smitty guckt mich unablässig an. Ohne zu blinzeln.
Pete nickt und liest weiter. »Sie stellen Medikamente her. Experimentelle Medikamente. Das Zeug im Gemüsesaft auch, wetten?« Er zittert, ist buchstäblich erschüttert.
Da kannst du so erschüttert sein, wie du willst, Pete; in dir geht nicht mal ansatzweise das vor, was gerade bei mir so abläuft. Erst mal bin ich absolut und total wie vor den Kopf geschlagen – aber was dann kommt, ist noch viel seltsamer: Ich bin nämlich nicht überrascht.
Weil Xanthro Industries praktisch für alles verantwortlich ist, was in meinem Leben falsch läuft. Wegen Xanthro ist meine Mutter nie da gewesen, weder bei Geburtstagen noch bei Schulaufführungen und den zig Malen, wo ich ein Aua-Knie hatte und von ihr einen Heile-Kuss brauchte. Xanthro hat uns erst in die Staaten verpflanzt und dann, schlimmer noch, wieder zurück nach England geschleift. Sie haben meine Mutter so lange dermaßen hart arbeiten lassen, dass sie – eine Ärztin – erst gemerkt hat, dass mein Vater krank war, als es längst zu spät gewesen ist. Darum überrascht mich die Vorstellung, dass Xanthro hinter einer Zombie-Apokalypse stecken könnte, kein kleines bisschen.
Aber die Vorstellung, dass Mum da mit drinhängt? Seit Beginn meiner Pubertät bin ich davon überzeugt, dass meine Mutter ein Albtraum ist, aber das habe ich auf die Hormone geschoben. Auf ihre und auf meine. Ist ja nicht so, dass sie die Über-Böse gewesen ist oder so. Bloß passt auf einmal alles dermaßen gut zusammen, dass sich mir fast der Magen umdreht: die langen Dienstreisen, die Müdigkeits- und Stressfalten in ihrem Gesicht. Das Foto, die Spuren ihres Geruchs in diesem Ledersessel. Sie hat hier gearbeitet, in der Burg.
Aber hat sie das getan? Hat sie diese
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