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Untot mit Biss

Untot mit Biss

Titel: Untot mit Biss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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schon vor Jahren lebendig gefressen. Zu meiner Überraschung nahm GQ meine Gegenwart zur Kenntnis, anstatt so zu sprechen, als gehörte ich zur Einrichtung. »Erlauben Sie mir, mich vorzustellen. Ich bin Louis-Cesar«, sagte er und machte eine verdammt gute Verbeugung.
»A votre service, Mademoiselle.«
Er maß mich mit einem recht intensiven Blick, übte aber doch ein gewisses Maß an Zurückhaltung. Ich hatte nicht länger das Gefühl, auf der Speisekarte zu stehen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen des einundzwanzigsten Jahrhunderts kannte ich die richtige Antwort auf eine formelle Verbeugung. Sowohl meine Gouvernante als auch der Privatlehrer, von dem Tony mich hatte unterrichten lassen, waren in der viktorianischen Ära geboren, und deshalb konnte ich einen richtigen Knicks machen. Ich hatte gedacht, viele der Dinge aus meiner Kindheit vergessen zu haben, aber Louis-César ließ alles zurückkehren. Er sah wieder zur Konsulin und verpasste dadurch einen sicher recht amüsanten Anblick, als ich mit blutbefleckten, hochhackigen Go-go-Stiefeln und einem Mikromini versuchte, den Standards meiner Nanny gerecht zu werden.
    Ich war so sehr auf die Szene am Tisch konzentriert, dass ich den zweiten Anschlag auf mein Leben an diesem Abend fast gar nicht bemerkt hätte. Den ersten Hinweis bot eine Energiewelle, die mich wie ein Sandsturm aus dem Nichts traf. Etwas scheuerte heiß über meine Wangen, bevor Tomas Rafe beiseitestieß und sich auf mich stürzte. Der Aufprall auf den Boden war so heftig, dass er mir die Luft aus den Lungen presste. Ich lag mit dem Gesicht nach oben, und so sah ich zwei Wächter, die unbeweglich in der Mitte des Raums standen: Das Fleisch auf ihren Knochen löste sich langsam auf, wie von unsichtbaren Insekten gefressen. Wenige Sekunden später stürzten die nackten Skelette zu Boden – Herzen und Gehirne waren zusammen mit dem anderen weichen Gewebe verschwunden. Ich bekam kaum mit, was als Nächstes geschah, denn nichts davon spielte sich mit normaler Geschwindigkeit ab, und Pritkin war mir im Weg. Er stand geduckt neben mir, mit einem gefährlich aussehenden Messer in der einen Hand und einer Pistole in der anderen. Ein weiteres Messer und zwei Ampullen schwebten neben seinem Kopf wie an unsichtbaren Fäden in der Luft. Für eine Sekunde dachte ich, dass er mich zusammen mit den anwesenden Senatsmitgliedern ins Jenseits schicken wollte, aber sein Blick galt nicht mir. Die Statue, die ich zuvor neben der Tür gesehen hatte, war plötzlich neben uns. Zwar waren ihre Augen nur vage Vertiefungen, aber sie schien Pritkin so anzusehen, als erwartete sie Befehle von ihm. Plötzlich begriff ich, was es mit der Gestalt auf sich hatte, obwohl ich solchen Geschöpfen noch nie zuvor begegnet war. Die Zauberer in Tonys Diensten hatten Golems nur etwas weniger gefürchtet als die Kriegsmagier. Es waren Tonfiguren, durch uralte hebräische Kabbala-Magie von Leben erfüllt. Ursprünglich hatten sie Aufträge für Rabbis erledigt, die stark genug waren, sie zu erschaffen. Bei einigen von ihnen mochte das noch immer der Fall sein, aber heutzutage dienten die meisten den Rittern, wie die richtige Bezeichnung für die Kriegsmagier lautete. Pritkin deutete auf mich, und daraufhin ging der leere Blick des Golems in meine Richtung. »Beschütze sie!« Der Golem nahm seinen Platz ein, die leeren Augen auf mich gerichtet, während sich sein Herr dem Kampf zuwandte. Ich mied den Blick des Golems, der mir noch grässlicher erschien als die Killer, und beobachtete, wie sich Jack einen der noch übrig gebliebenen Wächter vornahm. Der Wächter knurrte kehlig wie ein Tier, aber Jack sah aus wie ein Kind bei der Bescherung an Heiligabend: Die Wangen glühten, die Augen leuchteten. Er winkte Pritkin mit einer ungeduldigen Geste fort, die ganz klar sagte:
Dieser gehört mir.
    Der andere Wächter spielte keine Rolle mehr. Blut quoll ihm dort aus der Brust, wo jemand ein Rapier hineingestoßen hatte, als existierte das schwere Kettenhemd überhaupt nicht. Die Klinge ragte fast dreißig Zentimeter weit aus dem Rücken und zeigte im flackernden Licht der Kronleuchter ein mattes Rot. Ich hatte Rapiere immer für geckenhafte, fast weibische Dinge gehalten, so wie ich sie aus Filmen kannte, aber da schien ich mich geirrt zu haben. Die Klinge dieses Rapiers sah verdammt böse aus, als hätte jemand einen doppelschneidigen Dolch genommen und ihn zweieinhalb Zentimeter breit und neunzig Zentimeter lang werden lassen. Als ich

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