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Untot mit Biss

Untot mit Biss

Titel: Untot mit Biss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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Ihre Wunde kümmern. Darf ich?« Ich nickte vorsichtig und bezweifelte, ob sich ein Vampir dafür eignete, das Blut zu entfernen, insbesondere einer, der zuvor recht hungrig gewirkt hatte. Doch der Lebenssaft schien ihn nicht sehr zu reizen, und außerdem blieb mir gar keine Wahl. Louis-César war höflich und bat mich vorher um Erlaubnis, als ob meine Antwort eine Rolle spielte, aber ich wusste es besser. Zwei Mitglieder des Senats waren zugegen; sie konnten den Gentleman spielen, solange es ihnen beliebte, aber letztendlich musste ich tun, was sie wollten. Das wussten sie ebenso gut wie ich.
    Louis-César lächelte anerkennend, und ich begriff plötzlich, warum er mich nervös machte. Aus dieser Nähe gesehen ähnelte er einem Menschen wie kaum ein anderer Vampir. Abgesehen von Tomas, der einen guten Grund gehabt hatte, einem Menschen so ähnlich wie möglich zu sein, vergaßen die meisten Vampire Dinge wie zum Beispiel das Atmen. Sie versäumten es, ihre Herzen schlagen zu lassen und der Haut eine glaubwürdigere Farbe zu geben als das Weiß von frisch gefallenem Schnee. Selbst der recht überzeugend wirkende Rafe erinnerte sich nur einige Male in der Stunde daran, zu blinzeln. Doch diesem Mann hätte ich auf der Straße begegnen und ihn für einen Menschen halten können, einen Wechsel der Kleidung vorausgesetzt. Ich zählte die Sekunden zwischen den einzelnen Atemzügen, um festzustellen, ob er einen ausließ. Das war nicht der Fall.
    Während meiner Kindheit und Jugend hatte ich Tausende von Vampiren aus aller Welt gesehen, manche von ihnen so extravagant und jenseitig wie die Konsulin, andere so normal aussehend wie Rafe. Bisher hätte ich geschworen, dass ich imstande gewesen wäre, einen Vampir überall zu erkennen, aber Tomas hatte mich über Monate hinweg getäuscht, trotz der Nähe, und Louis-César hätte mir ebenfalls etwas vormachen können. Das gefiel mir nicht – dadurch fühlte ich mich unsensibel, wie die vielen Millionen Menschen ohne Schutz vor der übernatürlichen Welt, weil sie sie gar nicht wahrnehmen konnten. Ich war bei Vampiren aufgewachsen, doch nie zuvor hatte ich die Art von Macht gespürt, die von den Senatsmitgliedern ausging. Ich fragte mich, was meiner Aufmerksamkeit sonst noch entgangen war, und dieser Gedanke beunruhigte mich.
    Louis-César untersuchte mein Gesicht langsam, wahrscheinlich deshalb, damit ich mich an ihn gewöhnen konnte. Als sich eine glänzende braune Locke aus der Masse seines Haars löste und mir über die Schulter strich, zuckte ich so heftig zusammen, als hätte er mich geschlagen. Seine Hand, die nach meinem Haar getastet hatte, verharrte sofort.
»Millepardons, Mademoiselle.
Streichen Sie das Haar für mich zurück? Es würde mir dabei helfen, einen Eindruck vom Ausmaß Ihrer Verletzung zu gewinnen.«
    Er zog einen goldenen Clip aus seinem eigenen Haar und reichte ihn mir. Ich nahm ihn entgegen und achtete darauf, nicht seine Finger zu berühren. Mein Haar war kaum schulterlang, aber ich formte einen Pferdeschwanz daraus, und Louis-César sah mir dabei zu. Ich versuchte, nicht in Panik zu geraten, was mir schwer genug fiel. Ein Instinkt älter als Vernunft – älter als in hellen Zimmern ausgesprochene Worte – drängte mich, die Flucht zu ergreifen. Vielleicht war es eine Reaktion auf die Ereignisse dieser Nacht, aber eins stand fest: Ich wollte diesen Mann nicht so nahe haben. Ich zwang mich, still zu sitzen, während Louis-César die Untersuchung fortsetzte, fühlte dabei, wie ich eine Gänsehaut bekam und mein Puls so sehr raste, als wäre ich bereits auf der Flucht. Ich verstand meine Reaktion nicht, doch harte Erfahrung hatte mich gelehrt, meinen Instinkten zu vertrauen, und jeder von ihnen forderte mich auf, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen.
»Ah, bon. Ce ri est pas tresgrave«,
murmelte Louis-César. Als er meinen Gesichtsausdruck sah, lächelte er, und das Lächeln erfasste sogar seine Augen. »Es ist nichts Ernstes«, übersetzte er. Ich hätte fast geschrien.
    Der Mann stand auf und ging zu einem nahen Tisch, und plötzlich konnte ich wieder atmen. Ich versuchte herauszufinden, was an ihm mir solche Unruhe beschert hatte, doch es war nichts Greifbares. Sein freundlich wirkendes Gesicht schien einem Mann zu gehören, der fünf oder sechs Jahre älter war als ich, aber wenn man dem Hinweis seiner Kleidung vertrauen durfte, existierte er schon seit Jahrhunderten. Seine Augen blickten sanft – ein ruhiges Blau mit grauen Flecken –

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