Untot mit Biss
System nicht viel hielten. Daraus ergab sich die Praxis, einen Stellvertreter zum Duell zu schicken. Aber wenn die beiden Duellanten feststanden, gab es sehr strenge Regeln in Hinsicht darauf, was erlaubt war und was nicht. Hinterhalte kamen ganz gewiss nicht infrage, und was Rasputin getan hatte, würde ihm überall auf der Welt automatisch den Pflock einbringen. Der nordamerikanische Senat würde nicht aufhören, nach ihm zu suchen, und die anderen Senate würden geeignete Maßnahmen ergreifen, um solchen Dingen in ihren eigenen Zuständigkeitsbereichen vorzubeugen. Entweder war Rasputin vollkommen ausgerastet, dachte ich, oder aber sehr, sehr dumm.
»Vermutlich glaubt die Konsulin, dass ein Duell besser ist, als ihm Gelegenheit zu geben, einen Senator nach dem anderen auszuschalten«, sagte Billy Joe. »Außerdem: Wenn sich Marlowe oder Ismitta nicht so weit erholen, dass sie vor dem Senat aussagen können, gibt es keinen echten Beweis dafür, dass es zu einem Verstoß gegen die Regeln kam. Derzeit kann er behaupten, dass er sie herausgefordert und in einem fairen Kampf besiegt hat.«
»Aber wenn er sich der Konsulin vor dem ganzen MAGIE-Rat stellen muss, kann er nicht mogeln.«
»Bingo. Hinzu kommt, dass der Konsulin kaum eine Wahl bleibt. Durch den Amoklauf des alten Rasputin hat es der Senat mit einem diplomatischen Albtraum zu tun. Die Spitzohren sind echt sauer und sagen: Wenn die Vamps nicht mit dieser Sache fertig werden, kümmern sie sich selbst darum. Sie haben einen ihrer Adligen im Kreuzfeuer verloren, und du weißt ja, was sie von solchen Dingen halten.« Eigentlich wusste ich es nicht. Ich war noch nie einem Elfen begegnet und kannte auch niemanden, der mit einem gesprochen hatte. Einige der Vamps bei Tony zweifelten sogar an ihrer Existenz. Es hieß, dass sie ein ausgeklügelter Scherz der Magier waren, die damit seit Jahrhunderten vorgaben, über mächtige Verbündete zu verfügen. »Der magische Kreis ist ebenfalls verärgert, obwohl mir der Grund dafür nicht ganz klar ist – er verlangt Rasputins Kopf auf einem Tablett. Die Konsulin muss sich bald darum kümmern, will sie nicht für schwach gehalten werden. Mei Ling ist gut, aber sie kann nicht gegen alle Herausforderer kämpfen, die aus der Versenkung kommen, wenn dieser Sache kein Riegel vorgeschoben wird.«
»Aber die Konsulin kämpft nicht gegen Rasputin.«
»Nein, und wie ich schon sagte: Es gefällt ihr nicht. Es heißt, dass sie deshalb nicht hier ist – angeblich macht sie Jagd auf Rasputin. Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr. Das Duell soll morgen um Mitternacht stattfinden. Ich glaube, sie will bis dahin seinen aufgespießten Kopf zurückbringen.«
»Na schön, dabei wünsche ich ihr Glück. Aber du hast mir noch immer nicht gesagt, was das alles mit mir zu tun hat.«
»Weil ich es nicht weiß, Schätzchen.« Ich hasste es, wenn Billy Joe begann, so mit mir zu reden und den Südstaatler rauszukehren. Es bedeutete, dass er entweder scherzte oder sarkastisch wurde, und ich mochte das eine ebenso wenig wie das andere. Normalerweise sprach er mit einer Mischung aus Mississippi- und irischem Akzent, der daran erinnert, dass er als Kind auf der Grünen Insel gehungert hat. Er war ausgewandert, hatte seinen Namen geändert und ein neues Leben in der Neuen Welt begonnen, ohne seinen Akzent ganz zu verlieren. Ich richtete einen strengen Blick auf ihn – derzeit hatte ich keinen Bock auf irgendwelche Manieriertheiten. Seine Informationen waren durchaus nützlich, aber ich ärgerte mich noch immer darüber, dass er Tonys Rückkehr total verpasst hatte. Und das war immerhin sein Hauptjob. »Was weißt du sonst noch? Oder ist das alles?« Ich hatte schon vor einer ganzen Weile festgestellt, dass Billy Joe ein verdammt guter Spion war, aber man konnte ihm nicht trauen. Oh, er hat mich nie belogen – jedenfalls wusste ich nichts davon. Aber manchmal ließ er Dinge aus, die kein gutes Licht auf ihn werfen würden.
»Ich wusste nicht, ob ich dir davon erzählten sollte, nach der Sache mit Tomas. Wahrscheinlich liegt dir nichts daran, von einem weiteren Widerling zu hören.«
»Worum geht’s?« Ich überhörte den Seitenhieb auf Tomas, den Billy Joe nie gemocht hatte – ich schenkte ihm deshalb keine Beachtung, weil er dem entsprach, was ich empfand. Ich begann damit, den traurigen Haufen meiner Club-Kleidung zu untersuchen, für die ich viel Geld bezahlt hatte. Stiefel und Rock, beides aus Leder, waren noch zu gebrauchen. Mit dem Shirt ließ
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