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Untot mit Biss

Untot mit Biss

Titel: Untot mit Biss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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zuführte – verteilte gedruckte Exemplare der Karte, als ich eintraf, aber ich brauchte keine. Das Layout basierte auf einer gewissen Logik: Zum Beispiel befand sich das Büfett im dritten Kreis, wo die Sünde der Völlerei bestraft wurde. Es fiel mir nicht schwer herauszufinden, wo ich nach Jimmy suchen sollte. Wo sonst, wenn nicht im zweiten Kreis, wo die Sünden der Lust gerechte Strafe empfingen, sollte sich ein echter, lebender Satyr aufhalten?

Sechs
    Die Kneipe des zweiten Kreises hieß Pans Flöte. Für jene, die das Verdammnisthema am Eingang übersehen hatten, bot diese Bar einen deutlicheren Hinweis. Ich zuckte beim Eintreten nicht einmal mit der Wimper, da ich ähnliche Räumlichkeiten kannte. Aber für eine empfindsamere Seele musste es ein Schock sein, plötzlich einen Raum zu betreten, der fast ganz mit zerstückelten Skeletten dekoriert war. Im Italien der Renaissance, in dem Tony geboren war, hatte es immer wieder Epidemien gegeben. Es blieb nicht ohne Wirkung auf die Überlebenden, zu beobachten, wie Freunde und Verwandte starben und ganze Orte ausgelöscht wurden. Damals entstanden Ossarien und Beinhäuser, ganz aus den Knochen Verstorbener errichtete Kapellen, und das galt auch für Tonys Hommage an jene Zeit. An der Decke hingen komplexe Kronleuchter, die aus menschlichen Knochen zu bestehen schienen – und wahrscheinlich auch bestanden, wie ich Tony kannte. Zwischen ihnen gab es Girlanden aus Totenköpfen. Weitere Totenköpfe dienten als Kerzenhalter, und die Getränke servierte man in totenkopfförmigen Gläsern. Es waren Nachbildungen, mit einfachen Glasrubinen als Augen, aber bei einigen anderen war ich mir nicht so sicher. Die Servietten zeigten den »Totentanz« in Schwarz auf rotem Hintergrund: Eine Parade grinsender Skelette führte die Sünder zur Verdammnis. Nachdem sich die Gäste an all das gewöhnt hatten, stellten die Kellner vermutlich keine große Überraschung mehr dar. Ich hatte Menschen in Togen und Fellhosen erwartet, aber das Geschöpf, das uns am Eingang begrüßte, war echt der Hammer. Wie sie die Besucher davon überzeugten, dass die Kellner nur gute Kostüme trugen, würde mir ein Rätsel bleiben. Die rudimentären Hörner, die aus der Mähne des mahagonibraunen Haars ragten, konnten ebenso als Nachbildungen durchgehen wie die Laubkrone des Wesens. Doch der wirklich sehr knappe Minislip gab sich überhaupt keine Mühe, die offenbar echten fellbedeckten Lenden und glänzenden schwarzen Hufe zu verbergen. Das Geschöpf gab auch zu erkennen, dass ihm der tiefe Ausschnitt meines entwendeten schwarzen Elasthan-Tops gefiel. Da Satyrn von allen Frauen angetan waren, die noch atmeten, nahm ich es nicht als Kompliment. »Ich möchte mit Jimmy reden.«
    Entzücken hatte in den großen braunen Augen des Satyrs gefunkelt, und jetzt trübten sie sich ein wenig. Er nahm meinen Arm, um mich zu sich zu ziehen, doch ich wich einen Schritt zurück. Natürlich folgte er mir. Er war jung und attraktiv, wenn man beim Anblick des halben Ziegendings nicht auf den Gedanken kam, zu schreien und wegzulaufen. Nach menschlichen Maßstäben sind Satyrn großzügig ausgestattet, und dieser war selbst für ein Exemplar seiner Art begnadet. Da sexuelle Leistungsfähigkeit das wichtigste Element in der Satyr-Gesellschaft ist, genoss dieser vermutlich einen hohen Status. Mich ließ er kalt, aber ich wollte nicht unhöflich sein. Satyrn, selbst die alten und kahlköpfigen, hielten sich für Gottes Geschenk an die Frauen, und es konnte zu unangenehmen Resultaten führen, wenn man ihre fröhlichen Träume störte. Nicht dass sie gewalttätig wurden – sie neigten eher zum Weglaufen als zum Kampf –, aber ein deprimierter Satyr bot einen jämmerlichen Anblick. Sie betranken sich, spielten traurige Lieder und klagten laut über die Falschheit von Frauen. Wenn sie damit begannen, hörten sie erst auf, wenn sie umfielen, und ich wollte Informationen.
    Einige Minuten lang lobte ich seine Attraktivität in höchsten Tönen. Das schien ihn sehr zu erfreuen, und nachdem ich geschworen hatte, dass sein Chef und ich alte Freude waren, erklärte er sich schließlich bereit nachzusehen, ob Jimmy zur Verfügung stand. Ich hoffte sehr, dass sich Billy geirrt hatte, soweit es Jimmys Situation betraf. Die Vorstellung, die tieferen Bereiche von Tonys Hölle aufzusuchen, reizte mich nicht besonders.
    Auf dem Weg hierher hatte ich darüber nachgedacht, wie ich an die benötigten Informationen gelangen konnte,

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