Untot mit Biss
begangen und kam damit ziemlich glimpflich davon. Außerdem brauchte Pritkin sich gar nicht so entrüstet zu geben; es klebte genug Blut an seinen eigenen Händen. »Wie viele Personen haben Sie in der vergangenen Nacht umgebracht, Pritkin? Ein halbes Dutzend? Oder mehr? Ich habe nicht mitgezählt.«
Der Magier schnaufte. »Das geschah in Notwehr, und um Sie vor den Folgen Ihrer Torheit zu schützen.« Mit wachsendem Zorn beobachtete er den Mann, der wir ein kleines Kind wimmerte. Rote Flecken bildeten sich in seinem Gesicht, und er ballte die Fäuste, als sich der Gefangene hin und her wand, um dem Schmerz zu entkommen, den der saugende Mund verursachte. »Das hier ist grotesk.«
Ich hätte es für weitaus grotesker gehalten, wenn ich voller Schmerzen gewesen wäre, damit der Kerl eine Belohnung von Tony einsacken konnte. Nun, in dieser Hinsicht dachte ich eben sehr praktisch. »Die Vampire brauchen Blut. Wäre es Ihnen lieber, wenn sie wie in der schlechten alten Zeit auf die Jagd gingen?«
»Es ist allgemein bekannt, dass sie das Blut jener trinken, die sich nicht wehren können! Der Kreis wurde geschaffen, um den Menschen eine Chance gegen diese Ungeheuer zu geben, doch Sie, angeblich ein Mensch, sitzen dort und verteidigen sie! Sie sind noch abscheulicher als diese Monstren.« Pritkin legte es auf einen Kampf an. Ich sah es in seinem Gesicht und auch in seiner Haltung. Er wollte jemanden schlagen, wagte es aber nicht, und deshalb griff er zu verbalen Angriffen.
»Ich bin ebenso menschlich wie Sie, und ich habe Sie in der vergangenen Nacht gesehen, Pritkin. Bis der Schwarze Kreis in die Sache verwickelt wurde, hatten Sie Ihren Spaß, und das wissen Sie. Kommen Sie mir nicht mit dem NotwehrScheiß. Sie gehören zu den Leuten, die gern kämpfen und töten. Ich kenne Ihre Art.«
Ich unterbrach mich, weil der Mann auf dem Sofa diesen Moment wählte, eine Show abzuziehen. Die Vamps fühlten es offenbar kommen, denn sie wichen zurück, als ihr Opfer zu zittern begann und am ganzen Leib bebte. Wenige Sekunden später beugte er den Rücken so weit, dass ich um seine Wirbelsäule fürchtete – nur die gefesselten Hände und die Rückseite der Oberschenkel behielten Kontakt mit dem Sofa. Krämpfe schüttelten ihn, als er einen wilden Höhepunkt erreichte. Er warf den Kopf zurück und wollte die Augen schließen, doch Rafe fing seinen Blick ein und hielt ihn fest, gab dem Mann keine Gelegenheit, von den Geschehnissen Abstand zu gewinnen. Der Gefangene starrte ihn an und zitterte noch heftiger, als er sich auf seine gebräunte Haut und den Holzboden ergoss.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, als könnte der Körper nicht mehr zur Ruhe finden, als wollte er weiterpumpen, bis irgendwann das Herz versagte. Doch schließlich erschlaffte er und sackte so weit nach vorn, dass ihm das Haar ins Gesicht fiel. Die Vamps gaben ihm einen leichten Stoß, und er sank zwischen Sofa und Tisch zu Boden. Ich begriff, dass Mircea und Rafe auf die sexuelle Nebenwirkung des Vorgangs gewartet hatten, bevor sie aufhörten, Blut aus ihm zu saugen – die zusätzliche Demütigung sollte gewährleisten, dass sie sich nie wieder mit ihm abgeben mussten. Das Grauen im Gesicht des Mannes auf dem Boden deutete darauf hin, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Der Magier vermied es ganz bewusst, zu dem armseligen Haufen Mensch zu sehen. Ich fühlte mich ein wenig schuldig, weil mir der Mann kaum leid tat.
Wahrscheinlich verdiente er gar kein Mitleid, aber der Blick in Pritkins Gesicht machte mich nachdenklich. Er sorgte auch dafür, dass ich mich in die Defensive gedrängt fühlte, obwohl das, was ich ihm gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. »Vampire laufen nicht durch die Gegend und töten Menschen, es sei denn, die Menschen haben es zuerst auf sie abgesehen. Der Senat hat etwas dagegen, weil jemand zu viel sehen und gefährliche Gerüchte in die Welt setzen könnte. Oder ein neuer Vampir könnte vergessen, eine Leiche verschwinden zu lassen, wodurch es zu Ermittlungen käme. Die uneingeschränkte Jagd ist seit 1583 verboten – damals traf der europäische Senat eine Vereinbarung mit Ihrem Kreis. Selbst Tonys Burschen halten sich an das Verbot.«
»Freut mich, das zu hören«, kommentierte Mircea. Er holte ein Taschentuch mit Monogramm hervor und wischte sich damit den Mund ab. Nur seine Lippen waren ein wenig blutig. Er hatte nicht einen Tropfen vergossen – Übung, nahm ich an. Da er das Blut auf den Lippen nicht einfach absorbierte, war er
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