Untot mit Biss
handelte sich um einen Menschen, einen von Tonys Tagesgorillas, nahm ich an. Offenbar spielten bei ihm die Muskeln eine größere Rolle als das Gehirn, denn in seinen nussbraunen Augen glänzte eine Empörung, die er nicht zu verstecken versuchte. Offenbar hatte er bereits die Klappe aufgerissen, denn er trug nicht nur Ketten an Händen und Füßen, sondern auch einen Knebel im Mund. Ich sah zu Pritkin und beobachtete, wie er die Lippen zusammenpresste. Wenn es ihm nicht passte, dass Wer-Geschöpfe die übliche Strafe für Aufsässigkeit erhielten – was hielt er dann davon, dass einem Menschen eine solche Behandlung widerfuhr? Normalerweise nahmen sich Vampire den Hals vor, um zu trinken, aber Mircea warf nur einen flüchtigen Blick darauf, vielleicht deshalb, weil der junge Mann so rebellisch wirkte. In körperlicher Hinsicht war er fast perfekt, mit zerzaustem, kupferrotem Haar, klassischen Gesichtszügen und gut ausgeprägten Muskeln. Unter der linken Brustwarze zeigte sich eine kleine Narbe, die Mirceas Aufmerksamkeit weckte. Die langen, weißen Finger des Vampirs strichen so über den geringfügigen Makel, als wollten sie sich ihn einprägen – oder als dachte Mircea daran, der anderen Seite eine ähnliche Stelle hinzuzufügen. Vampire tranken auch gern von der Brust, und der Mann wusste das offenbar, denn er versteifte sich. Ich sah kleine Schweißperlen auf seiner Oberlippe, und er schluckte nervös. Unter Mirceas Berührung richtete sich die Brustwarze auf, und plötzlich verlor der junge Mann die Nerven und zuckte mit weit aufgerissenen Augen zurück. Aber er kam nicht einmal einen halben Meter weit, und auf Mirceas Nicken hin brachte Rafe ihn zum Sofa. Der Gefangene spannte die Muskeln, als er den anderen Vampir hinter sich spürte und Rafe ihm einen Arm um den Oberkörper schlang. Er schien ihn mehr als Bedrohung zu empfinden als Mircea, der die Schlagadern des Menschen wie verschiedene Punkte auf einer Speisekarte betrachtete. Der Mann sah auf und begegnete meinem Blick; Überraschung erschien in seinem Gesicht, als merkte er erst jetzt, dass sich noch andere Personen im Raum befanden, unter ihnen eine Frau. Verlegenheit ließ ihn erröten, und ich fragte mich, wie lange er schon zu Tonys Truppe gehörte – die meisten von den Burschen wussten überhaupt nicht, was Schamesröte war. Doch er vergaß mich, als Mirceas Hände ihn plötzlich auf die Knie zwangen. Er wusste nicht, dass es für die Vampire noch reizvoller wurde, wenn sich ihr Opfer zur Wehr setzte. Die Muskeln der Waden und Oberschenkel wölbten sich vor, als er Widerstand leistete. Ich sah die Richtung von Mirceas Blick, und daraufhin wusste ich, was jetzt kam.
Der Mann wurde aufs Sofa gezerrt, und Mircea zwang seine Knie auseinander. Die drohende Gefahr beschäftigte ihn offenbar weniger als der Umstand, vor Fremden entblößt zu sein, aber als Mircea den Mund öffnete und seine spitzen Zähne zeigte, vergaß er die Scham. Er versuchte, vom Sofa zu rollen, was ihm aber mit gefesselten Händen und Füßen schwerfiel. Mircea zog ihn zurück, packte die Knie und ließ sich Zeit, gab dem Mann Gelegenheit, richtig Angst zu bekommen, als er die Kraft des Vampirs spürte. Der Mensch versuchte vergeblich, sich zu befreien, und ein leises Wimmern fand den Weg an seinem Knebel vorbei. Selbst ich konnte die Oberschenkelarterie sehen – sie zeichnete sich deutlich an den gespannten Muskeln ab.
Als die Anstrengungen des Mannes schließlich nachließen – weil er müde wurde oder weil sonst nichts geschah –, schlug Mircea zu und bohrte seine spitzen Zähne dort ins weiche Fleisch, wo der Oberschenkel in die Hüfte überging. Ein gedämpfter Schrei kam hinter dem Knebel hervor, als die Zähne die Ader aufrissen, und die Augen des Menschen traten aus den Höhlen, als Mircea den Mund auf die Wunde presste und zu saugen begann. Er versuchte erneut, sich zu widersetzen, aber Rafe trat näher und sorgte dafür, dass sein Herr trinken konnte, ohne den Mann festhalten zu müssen. Pritkin zuckte zusammen, als Rafe plötzlich in die Halsader biss, aber er war klug genug, auf einen Kommentar oder gar ein Eingreifen zu verzichten. Die Vamps nahmen nur ihr Recht wahr, solange sie dem Opfer genug Blut ließen, damit es am Leben blieb. Ich sah den Gesichtsausdruck des Mannes und fragte mich, ob ihm das jemand gesagt hatte. Vermutlich nicht. Zwar war es keine hübsche Szene, aber ich empfand nicht so viel Abscheu wie der Magier. Der Mann hätte fast einen Mord
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