Untot | Sie sind zurück und hungrig
wärmer. Das Tolle an Regenzeug ist, dass man darunter immer schwitzt wie blöde, und dafür bin ich gerade dankbar. Ich wringe meinen Fleecepulli und meine Jacke aus, so gut ich kann, dann ziehe ich sie über das Regenzeug.
»Dem Himmel sei Dank für Kunstfasern!« Ich schlage mir an die Brust wie irgendeine Geisteskranke. »O Gott, jetzt führe ich schon Selbstgespräche. Ich bin echt auf den Hund gekommen.« Ich sehe mich um. »Na ja, immer noch besser als ein eingebildeter Freund. Der Traum-Smitty ist ungefähr alles, womit ich jetzt klarkomme.«
Von der grasbewachsenen Kuppe nebenan ertönt ein grässliches Ächzen. Nein, sagen wir besser, ein grässliches Muhen. Mein Rindvieh von einer Nachbarin versucht aufzustehen.
»Heilige Scheiße«, stöhne ich. Wobei, heilig ist daran nichts und Scheiße alles. Diese Kuh ist absolut unheilig. Untot nämlich. Ihr Kopf besteht nur noch aus einem bleichen Schädel mit ein paar blutigen Fleischbrocken da, wo einmal Nase, Maul und Backen gewesen sind. Bräunliche Zähne knirschen, dann muht sie wieder und lehnt sich in meine Richtung. Die Haut spannt sich straff und durchsichtig über ihren gewaltigen geschwollenen Bauch, in dem sichtbare Organe zucken. Sie macht einen Satz nach vorn, so aufgebläht, dass sie kaum noch laufen kann, und plumpst hinunter ins Wasser. Aber sie starrt mich unverwandt an; die Muhkuh will Blut. Ich hänge mir den Rucksack wieder über die Schulter; eine nähere Untersuchung wird warten müssen.
Der Nebel wallt und ich mache mit dem Fuß, der noch einen Watstiefel anhat, einen Schritt ins kalte Wasser. Die Kuh kämpft sich wieder auf die Füße und muht ihr ohrenbetäubendes Muh, dann versucht sie sich auf den Stöckchenbeinen zu mir zu schieben. Aber es ist hoffnungslos; sie ist dermaßen aufgebläht, dass sie sich unmöglich aufrecht halten kann. Wieder platscht sie ins Wasser und dabei reißt ihr Riesenbauch auf und verschleudert Tote-Kuh-Gedärm in die Feuchtgebiete.
»Au Scheiße, nee!« Der Gestank ist unerträglich hoch zehn. Ich reihere mir in die Hände und stolpere durch das Wasser davon, bevor mich der Schlabber erwischt. Na toll. Jetzt gibt es also auch noch Tier-Zombies. Sind den Untoten die Menschen ausgegangen, dass sie anfangen mussten, die heimische Fauna anzuknabbern?
Keine Ahnung, wo die Straße ist. Erst einmal muss ich irgendwohin, wo ich mich verstecken kann. Wo ich mir einen Überblick verschaffen und meine Freunde ausfindig machen kann oder das, was von ihnen übrig ist. Der Nebel wird ein bisschen dünner.
Weiter vorn steht ein Kuhstall, auf einem kleinen Hügel. Ich hinke dorthin, rutsche aber mit nur einem beschuhten Fuß immer wieder fast aus. Das wird so nix. Ich schleudere den verbliebenen Watstiefel auch noch ins Wasser.
Bis ich beim Kuhstall bin, sind meine strumpfsockigen Füße bestimmt die reinsten Schlammklumpen, so wie ich hier schmatzend durch den Matsch stapfe. Wenigstens werde ich durch die Anstrengung wieder warm. Und irgendetwas an der Bewegung, einen langsamen Schritt vor dem anderen, lässt mein Adrenalin sprudeln und das macht mir klar, dass ich entkommen bin und allen Zombies und Scharfschützen und Überschwemmungen zum Trotz immer noch lebe.
»Na lecker.«
Der Kuhstall ist in Wirklichkeit nur ein Unterstand und stinkt fast genauso erbärmlich wie die untote Kuh von eben. Wobei, wenn man einmal darüber nachdenkt, dann stinkt die ganze Gegend hier. Müssen Tierkadaver im Wasser sein: ein muffiger, moderiger Geruch mit einem Hauch von Übelkeit erregender Süße.
Hier drin gibt es nichts außer einem Haufen Heu oder Stroh – ich konnte das noch nie auseinanderhalten – und einem beachtlichen dunkelgrünen Kuhfladen. Ich mache den Fehler, da draufzutreten, weil ich denke, dass er hart ist, und die Kruste rutscht beiseite und darunter kommt eine hellere und nasse Schweinerei zum Vorschein. Scheiß drauf, ist ja nicht so, dass die Socken noch zu retten gewesen wären. Ich ziehe sie vorsichtig aus und schleudere sie beiseite. Meine nackten Füße sind knallrot und wund. Jetzt, wo ich hier drin bin, habe ich ein mieseres Gefühl als eben noch draußen, weil ich auf drei Seiten von Wänden umgeben bin und sich irgendwelche Zombieviecher anschleichen und dahinter verstecken könnten. Also beschließe ich, aufs Dach zu klettern. Das geht ganz einfach, ein Querbalken bietet den Füßen Halt und ich ziehe mich einigermaßen problemlos auf das schräge Wellblech hoch. Ich lege mich flach darauf, damit
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