Untot | Sie sind zurück und hungrig
Entschlüsselung?«, sagt Russ. »Die zweite Nummer meint irgendwas anderes.«
»Nein.« Auf einmal ist es mir sonnenklar. »Meine Mutter ist draußen auf dem Meer.« Die anderen glotzen mich an. »Überlegt doch mal. Die Grenze ist dicht. Mum wird uns wohl kaum auf dem Landweg nach England schmuggeln. Und ich glaube, kurzfristig einen Düsenjet chartern dürfte sogar für meine Mutter ein bisschen schwierig werden. Was also wird sie machen? Sie besorgt sich ein Boot.« Ich zeige ihnen die Postkarte mit dem Leuchtturm. »Deshalb das ganze nautische Thema. Das ist ihre Vorstellung von einem richtigen Brüller.«
»Na schön«, sagt Smitty. »Dann schwimmen wir da raus zu ihr, oder was?«
»Null Grad ist weit draußen auf dem Meer«, unterbricht ihn Pete. »Mehrere Meilen.«
Ich nicke. »Das hat sie gemacht, damit es keinen Zweifel daran gibt, dass sie auf einem Boot ist. Wir gehen zu diesem Leuchtturm und geben ihr mit der verfluchten Lampe ein Leuchtsignal oder so – sie wird sich schon was dabei gedacht haben.«
»Ich kann ungefähr abschätzen, wo diese Stelle sein müsste«, sagt Pete, »aber ohne Navi ist das echt eine verflixt grobe Schätzung.«
»Spielt keine Rolle, solange wir nur nach dem Leuchtturm Ausschau halten«, sage ich. »Wir folgen der Küstenlinie. Wenn wir ihn sehen, halten wir an.«
»Was ist denn los?« Alice hat sich diesen Moment zum Aufwachen ausgesucht und guckt mich aus einem schmutzstarrenden Gesicht an. »Braut sich ein Sturm zusammen?«
»Definitiv, Alice. Es braut sich hundertpro ein Sturm zusammen und der Leuchtturm zeigt uns den Weg nach Hause.« Draußen kann ich den Strand sehen, der im Wechsel aus dem Nebel auftaucht und wieder darin verschwindet. »Ich hoffe bloß, wir sind nicht schon daran vorbeigefahren.«
Kapitel
23
Smitty ist wieder in der Fahrerkabine. Er hat es genossen, Alice in allen Einzelheiten auf den neuesten Stand zu bringen – so lange, bis sie eine Wasserflasche nach ihm geworfen hat. Jetzt hat sie sich in einer der Toiletten eingeschlossen und wenn sie wieder herauskommt, wird sie, wie es so ihre Art ist, garantiert makellos aussehen.
Russ ist in dem Wagen vor den Zombies auf Leuchtturm-Spähposten und Pete klebt hier am Fenster und malt zwischendurch Linien auf seine Karte. Ich hänge bei den Sitzen hinter der Fahrerkabine herum und versuche per Gedankenkraft dafür zu sorgen, dass endlich Elvenmouth in Sicht kommt. Ich möchte eigentlich zu Smitty gehen und mit ihm reden, aber andererseits soll es nicht so offensichtlich sein, dass ich zu Smitty gehen und mit ihm reden möchte. Doch nicht mit Smitty.
Alice kommt zurück. Himmel . Sie sieht ganz und gar nicht makellos aus, sondern eher grün.
»Alles in Ordnung mit dir?« Ich erwarte die übliche Abfuhr, aber diesmal fährt sie sich bloß mit den Fingern durch die Haare.
»Nee, überhaupt nicht.« Sie wischt sich mit einem vornehm abgespreizten kleinen Finger über die Mundwinkel. »Ich habe gerade wieder gebrochen. Ich muss sonst nie brechen und dieser Tage komme ich gar nicht mehr raus aus dem Brechen. Das ist total widerlich.«
»Schwangerschaftsübelkeit.« Pete sieht nicht einmal herüber. Wieder rechne ich damit, dass Alice einen Wutanfall hinlegt, aber stattdessen verdreht sie nur halbherzig die Augen. Ich riskiere es, ihr eine Hand auf die Schulter zu legen, und sie lässt es zu.
»Du bist in eine Schlucht gestürzt. Du bist entführt worden. Du bist auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. Ganz schön viel für einen Tag.«
Sie lächelt fast.
»Ruh dich aus.« Ich nehme verlegen die Hand wieder weg. »Wir wecken dich, wenn es so weit ist. Versprochen.«
Sie zieht eine blonde Augenbraue hoch. »Will ich euch auch geraten haben.«
»Hey.« Ich erspähe unter einem Tisch ein paar Getränkedosen in einem Karton. »Hat jemand Durst?« Ich ziehe eine Dose heraus. Sie ist leuchtend rot und orange und in einer verschlungenen Retro-Schrift steht Necta! darauf. »Ist dieses Zeug auch echt? Und nicht bloß noch so eine gefakte Saftmarke von diesen Gangstern?«
Alice nimmt eine Dose und macht sie auf. »Nein. Das Zeug hier ist wegen seiner aufputschenden Wirkung in ein paar Schulen verboten worden. Beaucoup de Koffein und Zucker. Nach allem, was wir wissen, könnte es das Heilmittel sein.« Sie trinkt und streckt sich auf einer Sitzbank aus.
»Ich auch.« Pete streckt eine Hand vor und ich werfe ihm eine Dose zu.
»Die hier bringe ich Russ.« Pete nickt, während ich zum nächsten
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