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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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nicht, wer es ist.«
    »Du willst mir nicht im Ernst erzählen...«
    »Sag mir einfach, wer von denen auf der Liste wieder draußen ist. Und seit wann.«
    Ich habe einiges gelernt in den letzten Monaten. Zum Beispiel, dass es eine Form von Liebe gibt, die sich nicht erschöpfen will. Oder rede ich von Leidenschaft? Oder von Besessenheit? Es gibt so viele Worte für das, was mir widerfährt, und einige davon sind so hässlich, dass mir die Tränen kommen.
    Hörigkeit. Hörigkeit heißt: Opferdasein. Hörigkeit leugnet hartnäckig, dass es so etwas wie Schicksal und Bestimmung gibt. Es impliziert krankhaften Irrtum und selbst verschuldete Probleme. Es banalisiert, was zwischen uns passiert.
    Ich erkunde deinen Körper wie ein Haus, Zimmer für Zimmer. Mittlerweile kenne ich ihn fast auswendig und bin seiner dennoch nie überdrüssig: deine knochigen Füße mit den dicken, verhornten Nägeln, deine perfekt geformten, fast unbehaarten Waden, die muskulösen Schenkel, dein kleiner, kraftvoller Po, dein Schwanz, die breite Blinddarmnarbe, die sich viel zu weit in den Rücken zieht (du weißt nicht warum, wenn ich dich frage, zuckst du die Schultern). Ich liebe deinen Schamhügel, von dem sich eine zarte braune Haarlinie bis fast zum Bauchnabel zieht. Dein Bauchnabel ist herausgestülpt, deine Brust ist ebenfalls beinahe unbehaart, deine Schultern sind breit und knochig. Knapp unter der rechten Achselhöhle ist eine weitere, kaum sichtbare Narbe (du weißt nicht, woher sie kommt, und es ist dir auch egal). Du bist so mager und hart, mein Geliebter. Du vergräbst dich in mein Fleisch, als sei es Nahrung für dich. Ich liebe diese Vorstellung, Nahrung für dich zu sein. Dir lebenswichtige Elixiere zu spenden.
    Nein, ich bin dir nicht hörig. Die Wahrheit ist viel einfacher. Ich liebe dich. Nicht von Anfang an, natürlich nicht. Am Anfang, das stimmt, da stand die Besessenheit, eine dunkle, angstvolle Gier, die alle anderen Gefühle verblassen ließ. Aber nun habe ich dich lieben gelernt, und das ist dein Verdienst, denn du hast dich mir geöffnet wie noch kein anderer Mann vor dir. Im Vergleich zu dir sind alle anderen Männer komplexbeladen und voller Furcht und Vorbehalte. Immer haben sie die ausgefeiltesten Argumente dafür, dass sie sich nicht hingeben wollen, nicht loslassen können. Nicht einmal für eine einzige Stunde können sie ihre kleinliche, kindische Angst davor vergessen, mit Haut, Haaren und Seele beherrscht zu werden von einem wirklich starken Gefühl.
    Denn es ist ja auch gefährlich. Ihre kostbare
Persönlichkeit
könnte bei diesem Prozess verwandelt werden in etwas Neues, Wunderbares. Ihre hoch geschätzte
Individualität
könnte sich auflösen in etwas Machtvolles, Grenzüberschreitendes. Aber kein Grund zur Sorge, das passiert nie. Normale Männer ziehen lieber in den Krieg als in die Liebe, denn der Krieg bringt nur den Tod, und den fürchten Männer weniger als den Verlust ihrer Willenskraft. Nur du bist anders. Du gibst alles und machst auf diese Weise uns beide reich.
    Es gibt so viel Raum für Zärtlichkeit und Lachen zwischen uns. Und weil das so ist, akzeptiere ich auch die zeitweise Abwesenheit von Licht und Liebe.
    Ja, du hast auch eine finstere Seite in dir. Ich habe sie immer gespürt, aber erst in letzter Zeit nehme ich ihre Existenz deutlich wahr. Als Kind holte ich jeden Morgen meine Freundin ab, um mit ihr gemeinsam in die Schule zu gehen. Manchmal, wenn sie noch nicht fertig war, musste ich in die Wohnung ihrer Eltern kommen und in der Diele auf sie warten. Meine Freundin hatte einen schwarzen Pudel namens Gustav. Ihre Mutter schob ihn immer aus der Küche, sobald ich da war. Vielleicht, damit ich mich nicht langweilte. Sie glaubte, ich käme mit Gustav gut aus, und ich traute mich lange nicht, ihr die Wahrheit zu sagen: dass ich ihn nicht ausstehen konnte.
    Als junger Hund war Gustav verschmust und fröhlich gewesen. Doch je älter er wurde, desto seltsamer entwickelte sich sein Verhalten. Sobald er mich sah, wollte er in einem fort gestreichelt werden. Hörte ich damit auf oder verringerte sich bloß die Frequenz meiner Tätschelbewegungen, begann er bösartig zu knurren und nach meiner Hand zu schnappen. Manchmal stand ich, die Achtjährige, also an die fünf Minuten lang gebückt in der meist ziemlich unterkühlten Diele und liebkoste Gustavs schwarzes, kurz geschorenes Fell und den lächerlichen Puschel auf seinem Kopf, während Gustav meine Bemühungen wachsam observierte - mit

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