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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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denn sie wusste ohnehin nicht gerade viel.
    Carola Stein hieß eigentlich Cordula Faltermeier. Sie war neununddreißig, groß und mager, mit knochigen breiten Schultern unter ihrem schwarzen Rollkragenpullover. Ihre Haare waren ebenfalls schwarz, ziemlich lang und glatt und sahen gefärbt aus. Ihr Gesicht war blass. Sie rauchte fast ununterbrochen, wirkte dabei aber überhaupt nicht nervös. Vielmehr schien sie Zigaretten so notwendig und selbstverständlich zu brauchen wie andere Leute Nahrung und Luft. Das Vernehmungszimmer war klein, und Bauer musste mehrmals das Fenster öffnen.
    Methodisch arbeitete er sich gemeinsam mit ihr durch den Verlauf der Lesung. Ja, an Karin Belolavek könne sie sich erinnern, sie war ja schließlich die Veranstalterin. Aber sonst an niemanden im Speziellen. Auch an keinen der Insassen. Doch, einer habe ihr einen Blumenstrauß auf die Bühne gebracht. Hatte schweißfeuchte Hände dabei, was sie süß fand. Für Schwerkriminelle hätten die Jungs übrigens ganz gut ausgesehen. Sie zwinkerte bei dieser Bemerkung, und Bauer wurde rot.
    Ob ihr aufgefallen sei, dass sich einer der Insassen mit Karin Belolavek unterhalten habe?
    Nein. Sie habe auch überhaupt nicht darauf geachtet. Da seien über fünfzig Leute in dieser Aula gewesen. Ihr seien die vielen Türen aufgefallen, die man aufsperren und wieder abschließen musste, um überhaupt irgendwohin zu gelangen. Die JSA sei ihr wie ein Labyrinth vorgekommen. Verwirrend, aber insgesamt viel weniger schlimm, als sie sich ein Gefängnis vorgestellt hatte. Ach, und eine Frau hätte einen Schwächeanfall bekommen.
    »Welche Frau? Kannten Sie sie?«
    »Äh... Nein. Sicher nicht. Die Luft war ziemlich schlecht. Kein Wunder.«
    »Lesen Sie Krimis?«, fragte sie ihn zum Schluss.
    »Na ja...«, sagte Bauer unschlüssig. Eigentlich las er gar nichts außer Fachliteratur.
    »Ich war übrigens schon mal hier. Hab mit Ihrem Chef gesprochen. Für Recherchen.«
    »Martin Berghammer?«
    »Genau der. Ein netter Mann. Würden Sie ihn von mir grüßen?«
    »Klar.«
    Sie beugte sich vor. Ihm fiel auf, dass sie um die Augen herum ziemlich stark geschminkt war. »Mal ehrlich, war Ihnen mein Name ein Begriff?«
    »Hab ich schon irgendwo gehört«, log er.
    Sie lächelte. »Wenn Sie wollen, schick ich Ihnen ein Buch.«
    »Ja, also... Das wäre toll.«
    »Sind wir jetzt fertig?« Sie unterschrieb das Protokoll und ging, ohne sich von ihm oder der Protokollantin zu verabschieden. Auch nach seiner Adresse fragte sie nicht, obwohl sie ihm doch ein Buch schicken wollte. Welchen Eindruck er wohl auf sie gemacht hatte? Eine Weile saß Bauer ganz allein im Vernehmungszimmer, ohne sich zu rühren. Es roch nach viel Rauch und einer schwachen Ahnung von Parfüm. Schließlich stand er auf und ging in sein Büro zurück. Glücklicherweise war er allein. Bauer setzte sich an seinen Schreibtisch und stützte den Kopf in beide Hände.
    Seine Freundin war vor ein paar Tagen ausgezogen. Das war zu erwarten gewesen, nachdem sie keinen Sex mehr wollte, keine Liebkosungen, nicht einmal Küsse.
Ich halt das nicht mehr aus. Dieses Gerede von Tod und wie Leichen wirklich aussehen und wie der ... Dingsda das Blut der ... Dings in den Ausguss...
    Ich weiß.
    Es ist so eklig.
    Ich weiß. Tut mir Leid. Ich bin erst eine Woche dabei. Ich gewöhn mich schon daran, und dann rede ich auch nicht mehr drüber.
    Ich halt das nicht mehr aus. Du riechst schon danach.
    Ich rieche nicht. Ich dusche und wasche meine Klamotten. Jeden Abend. Weißt du genau.
    Das nützt nichts. Du riechst nach Tod.
    Sie hatte ihren Koffer aus rotblauem Lederimitat aus dem gemeinsamen Kleiderschrank geholt und dann ganz ohne Hast, sorgfältig und methodisch begonnen, einzupacken. Erst ihre Hosen, dann die ordentlich zusammengelegten T-Shirts, dann die Blusen, dann die Kleider. Da war ihm klar gewesen, dass es ihr ernst war. Merkwürdigerweise kamen ihm erst die Tränen, als sie den braunen Ledermini im Koffer versenkte, den Rock, den er an ihr besonders liebte und nun wahrscheinlich nie wieder sehen würde.
    Völlig bescheuert, wegen eines Kleidungsstücks zu heulen.
    Dann aber fielen ihm die ganzen anderen Sachen ein, die nun nie mehr stattfinden würden, und er musste noch mehr weinen. Gemeinsam frühstücken an den Wochenenden, gemeinsam einkaufen, gemeinsam wegfahren, gemeinsam ihre Eltern besuchen, die ihn nicht ausstehen konnten, weil er so wenig verdiente und so schlechte Aussichten hatte, jemals weiterzukommen.
    Ihre

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