Untreu
tückischem Blick von unten herauf und einem leisen, drohenden Rollen in der Kehle.
Seitdem habe ich Angst vor Hunden.
Ich vergleiche dich mit einem Hund. So weit ist es mit mir gekommen. Ich bin verwirrt...
Aber wahr ist: Du beobachtest mich viel genauer als früher. Unter deiner Aufmerksamkeit blühte ich auf, unter deiner Beobachtung werde ich ganz klein. Es ist anstrengend, ununterbrochen im Blickfeld zu sein. Du kommentierst jede meiner Gesten. Du hinterfragst alles. Es gibt in deinen Augen keine harmlose Äußerung mehr. Jede Entschuldigung wird von dir als Ausrede gewertet. Besonders auffällig ist es, wenn wir unter Leuten - Fremden - sind. Du scheinst den Drang zu haben, meine Gefühle immer wieder von neuem auf die Probe zu stellen. Du küsst mich ausgerechnet dann, wenn der Kellner das Essen auf den Tisch stellt. Du fasst mir auf offener Straße unter den Rock oder an den Busen und begegnest dreist, mit hoch erhobenem Kopf, den irritierten Blicken der Passanten. Neulich warteten wir auf die Straßenbahn, da drücktest du mich an die Glaswand des Wartehäuschens und fingst an, mich unter der Bluse zu befummeln. Du wirst sehr ärgerlich und ausfallend, wenn ich dich in solchen Situationen bitte, damit aufzuhören. Du missverstehst das absichtlich als Versuch, mich von dir zu distanzieren. Du fühlst dich ausgenützt. Aber natürlich stimmt das nicht, und ich bin mir sicher, dass du das auch weißt. Ich bin so stolz auf dich und mich, aber in der Öffentlichkeit gibt es Grenzen des Zumutbaren.
Ich gebe zu, dass ich mich in solchen Situationen manchmal schäme. Ich bin älter als du, mir steht ein solches Verhalten nicht mehr zu. Du fühlst dich vielleicht ausgenützt, aber ich, ich fühle mich missbraucht. Ich habe den Eindruck, du willst mich provozieren. Das, was du da tust, ist nicht Liebe. Manchmal kommt mir sogar der schreckliche Verdacht, du willst mich auf diese Art vertreiben. Gibt es nicht viele Männer, die das tun? Die es nicht fertig bringen, einer Frau zu sagen: »Es ist aus, ich hab keine Lust mehr«, und stattdessen durch fortgesetztes Fehlverhalten dafür sorgen, dass die Frau - endlich! - den ersten Schritt macht, um die Beziehung zu beenden?
Oder ist alles ganz anders? Bleibe vielmehr ich dir den ultimativen Liebesbeweis schuldig, indem ich auf Konventionen beharre, die du mutig in den Wind schlägst?
Um These Nummer eins bestätigt zu bekommen, habe ich dich herausgefordert. Ich erzählte dir lächelnd von einem Traum, in dem ich dich mit einer jungen Frau sah. Deine Reaktion war unmissverständlich.
Wenn du gehen willst, dann geh. Aber dann steh auch dazu, dass du wegwillst.
Dein Gesicht war kreidebleich, deine dunklen Augen loderten vor Zorn.
Keine Tricks mit mir, bloß keine Tricks.
Ich war erleichtert und gleichzeitig erschrocken über das erneute Missverständnis, das ich nun unmöglich hätte aufklären können, ohne mich in einem Wust von Widersprüchen zu verstricken. Ich will ja nicht gehen! Die schönen, innigen, leidenschaftlichen Momente überwiegen bei weitem. Ich würde sie nie aufs Spiel setzen wegen eines wahrscheinlich ganz lächerlichen, unbegründeten Unbehagens. Ich bin sicher, ich kann auch mit deinen Fehlern leben, und wenn nicht, muss ich es eben lernen. Ich denke immer noch und immer mehr an eine gemeinsame Zukunft, obwohl sich die äußeren Umstände, die dem entgegenstehen, jeden Tag mehren.
Alle und alles sind gegen uns. Zwischen uns darf es also kein Misstrauen geben. Unsere Liebe muss an den Hürden wachsen, nur dann haben wir eine Chance.
Kapitel 11
Bauer hatte noch nie eine leibhaftige Schriftstellerin gesehen. Anfangs war da eine gewisse Ehrfurcht gewesen, die sich aber rasch verloren hatte. Zuerst hatte nur Fischer die Fragen gestellt, auf seine schnelle, rotzige Art nach der Jeder-hat-irgendwo-Dreck-am-Stecken-Devise. Die Schriftstellerin schien er damit kaum zu beeindrucken. Sie antwortete mit ruhiger, tonloser Stimme und nahm sich alle Zeit der Welt. Nach gerade mal fünf Minuten war Fischer plötzlich ziemlich bleich geworden. Mit erstickter Stimme wies er Bauer an, er sollte jetzt weitermachen, bis er wieder zurückkäme, und hatte dann den Vernehmungsraum ziemlich überstürzt verlassen.
Tatsächlich kam Fischer aber nicht wieder, und so musste Bauer, obwohl er ganz neu in der MK1 war, die Zeugenvernehmung allein durchführen, was völlig unüblich war und ihn sehr verunsicherte. Andererseits, dachte er, konnte er nicht viel falsch machen,
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