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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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Gedächtnis ließ sie vollkommen im Stich.
    Da fiel ihr ein, dass sie ein Feuerzeug dabei hatte. Das war nicht optimal, aber besser als nichts. Mona entzündete das Feuerzeug und hielt die Zunge nach unten gedrückt, bis ihr Daumen schmerzte und es nach verbranntem Fingernagel roch. Sie tastete sich von Tür zu Tür. Jede sah gleich aus, und an den meisten stand kein Name. Auch nicht an Farkas' Tür, wie sie noch wusste. Glücklicherweise erinnerte sie sich an jenen tiefen Kratzer im grünbraunen Billiglack, der seine Tür von den anderen unterschied.
    Sie schrak zusammen, als sich auf der anderen Seite des Ganges eine der Türen öffnete. Sie machte das Feuerzeug aus und stellte sich kerzengerade hin. Jemand machte die Tür wieder zu und öffnete sie nach einer knappen Minute ein zweites Mal. Diesmal leuchtete er mit der Taschenlampe nach draußen. Ein Mann und eine Frau kamen, in einen leisen, unverständlichen Wortwechsel vertieft, aus der Wohnung und gingen in Monas Richtung zum Lift, aber der Lichtstrahl ihrer Taschenlampe reichte nicht weit genug, um Mona zu erfassen. Mona stellte sich in einen Türrahmen und machte sich so flach wie möglich. Der Lift kam mit einem leisen Summen und hielt. Das Paar stieg schwatzend und lachend ein. Mona sah starr geradeaus. Im schwachen Licht, das sekundenlang aus der offenen Aufzugkabine strömte, sah sie einen tiefen Kratzer an der Tür ihr gegenüber. Die Lifttüren schlossen sich, die Dunkelheit kehrte zurück.
    Mona trat vor, steckte ihre Pistole in den Halfter zurück und zog ihren Schlüsselbund aus der Jackentasche. Sie tastete nach einem abgeplatteten Metallstäbchen, nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger und versuchte, das Schlüsselloch zu finden. Das war einfach; viel schwieriger wurde das Hantieren mit dem Metallstäbchen in der Dunkelheit. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Finsternis. Am Ende des Gangs befand sich offenbar tatsächlich ein großes Fenster oder zumindest eine Wand aus Glasbausteinen, sodass Mona mittlerweile wenigstens einige Umrisse erkennen konnte.
    Sie schob das Stäbchen in das primitive Schlüsselloch und bewegte es vorsichtig hin und her. Im Grunde war es nur eine Frage der Übung und des Fingerspitzengefühls. Schließlich, nach einer halben Ewigkeit, wie es ihr vorkam, spürte sie, dass im Schloss etwas nachgab. Sie hörte ein kurzes Knackgeräusch, und die Tür sprang auf. Mona glitt in die Wohnung und schloss die Tür leise hinter sich.
    Die Deckenlampe, nur eine kahle, in die Fassung hineingeschraubte Birne, funktionierte. Mona stand in einem Apartment, das aus einem etwa zwanzig Quadratmeter großem Zimmer, einer gelb gefliesten Kochnische und einem Bad bestand. Der Teppichboden, der vielleicht einmal blau oder grau gewesen war, sah alt und fleckig aus. Das Zimmer war aufgeräumt, aber der Eindruck von Armut ließ sich dadurch nicht verscheuchen. An Möbeln gab es lediglich ein Bett, einen Tisch, wahrscheinlich vom Sperrmüll, und einen Stuhl gleicher Herkunft.
    Das Bett allerdings war eine Überraschung. In dieser Umgebung wirkte es wie ein Edelstein in einer Fassung aus verbeultem Blech. Mona trat heran und fuhr mit einem Finger über das Gestell. Es war aus poliertem hellem Holz mit verchromtem Rahmen und glänzend schwarz lackierten Beinen. Ein Designerstück, das überhaupt nicht in dieses ärmliche, abgeschabte Zimmer passte. Mit Sicherheit viel teurer als jede Schlafstatt, die sich Farkas selbst hätte leisten können. Mona setzte sich probehalber auf die weiß bezogene, ordentlich drapierte Bettdecke. Der Bezug aus satinierter Baumwolle roch frisch und sauber.
    Jemand hatte Milan Farkas ein neues, hochwertiges Bett inklusive Bettwäsche geschenkt. Wer das gewesen sein konnte, war nicht schwer zu erraten.
    Neben der Kochnische stand eine Art Einbauschrank, den Mona zunächst nicht bemerkt hatte. Sie ging langsam darauf zu und öffnete ihn. Sie entdeckte eine erstaunliche Menge an Kleidungsstücken von ebenfalls guter Qualität, alle säuberlich zusammengelegt oder aufgehängt. Mona sah auf die Uhr. Es war halb zehn. Lukas schlief längst, und sie hatte ihn wieder nicht gesehen, nicht mit ihm gesprochen, ihn nicht in den Armen gehalten. Einen Moment lang überwältigte sie diese fatale Mischung aus Liebe und schlechtem Gewissen, die sie immer wieder heimsuchte und nichts bewirkte, außer, sie handlungsunfähig zu machen. Sie stand mit hängenden Armen vor dem Schrank.
Wie bestellt und nicht abgeholt
, dachte sie und

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