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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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allen Beteiligten klar, dass er keinen Anwalt hatte. »Wann kann der hier sein? Der Typ, von dem Sie gerade geredet haben?«
    Mona lehnte sich zurück. »Oh, in ein, zwei Stunden. Wir können hier so lange sitzen, wenn Sie wollen. Oder ich lasse Sie zurückbringen in Ihre Zelle.«
    Farkas senkte den Kopf. Die Vorstellung, einen weiteren Vormittag hier oder im Gefängnis zu verbringen, machte ihm nicht gerade Laune. Schließlich sagte er: »Fragen Sie schon!«
    »Wir können anfangen?«
    »Von mir aus. Bringt Ihnen eh nichts.«
    »Sie kennen Karin Belolavek seit wann?«
    Farkas zögerte. »Seit der Lesung in der JSA«, sagte er dann.
    »Wie kam es zum Kontakt?«
    Farkas wischte sich mit der rechten Hand über das Gesicht. Mona las in ihm wie in einem Buch. Sie hatten ihn überrumpelt, und jetzt gab es keinen Weg mehr zurück. Es ging ihm zu schnell, er hatte sich nicht richtig vorbereitet, er wusste nicht, was er sagen durfte und wie viel. Umständlich zog er seine Lederjacke aus und hängte sie über seine Stuhllehne. Er tat das, um Zeit zu schinden, aber es wirkte wie eine freiwillige Entwaffnung. Vor ihnen saß nun ein Junge mit schmalem Goldkettchen um den Hals, gut aussehend, teuer angezogen, selbstsicher. Aber eben doch ein Junge, trotz seiner dreiundzwanzig Jahre. Einer von vielen, die Mona und Fischer hier schon sitzen hatten, als Täter, als Opfer, als Zeugen. Aber egal, welchen Part sie übernahmen - so oder so musste man ihnen fast jede Information mühsam entwinden, und nicht selten scheiterten sinnvolle Ermittlungsarbeiten an hartnäckigem Schweigen oder beredten Nonsens-Geschichten voller unfreiwillig komischer Widersprüche. Mona hatte sich einmal mit Berghammer über die Frage unterhalten, warum die meisten Befragten sich nicht einmal die Mühe gaben, mit einem Minimum an Fantasie und Intelligenz zu lügen.
    Es ist ihnen egal, hatte Berghammer gesagt. Erwischt zu werden gehört mit zum Spiel. Welches Spiel, hatte Mona gefragt. Keine Ahnung, hatte Berghammer geantwortet. Sicher ist nur, dass sie nicht mehr aussteigen können. Alles, was bei denen zählt, ist ihr Kodex. Keine freiwillige Kooperation. Unter keinen Umständen.
    »Also, die Lesung«, sagte Mona. »Was passierte da?«
    »Weiß ich nicht mehr so genau.«
    »Dann erzählen Sie genau das, was Sie noch wissen. Okay? Von Anfang an.«
    Farkas tat so, als ob er nachdachte. »Also, da war diese Frau - diese Schriftstellerin. Die hat aus ihrem Buch gelesen. Vorher gab's noch eine Rede vom Chef.«
    »Wilhelm Kaiser, Chef der JSA?«
    »Ja, der. Der hielt also 'ne Rede. Dann hielt sie 'ne Rede.«
    »Die Schriftstellerin?«
    »Ja. Carolin Irgendwas. Weiß nicht mehr, wie die hieß. Wir saßen jedenfalls alle da und hörten zu. Es waren sehr viele Leute da. Bestimmt an die sechzig.«
    »Ja. Und?«
    »Das ging 'ne knappe Stunde oder so. Dann hörte die wieder auf zu lesen, und wir sollten Fragen stellen.«
    »Haben Sie Fragen gestellt?«
    »Ich nicht. Ein paar Leute schon. Mir ist keine eingefallen. Dann hat ihr einer von uns einen Strauß Blumen auf die Bühne gebracht. Weiß nicht mehr, wer das war. Dann gab's was zu essen.«
    »Und bei der Gelegenheit sind Sie mit Karin Belolavek ins Gespräch gekommen.«
    Farkas antwortete nicht. Er räkelte sich in seinem Stuhl, als wollte er die Sache spannender machen. Schließlich sagte er: »Ich will nicht, dass die beiden da dabei sind. Wenn die dabei sind, erzähl ich nichts.« Er zeigte auf Bauer und Fischer. Fischer, in dem schon die ganze Zeit sichtbar der Zorn brodelte, herrschte ihn an: »Bild dir ja nichts ein. Hier machen wir die Bedingungen.«
    »Ganz ruhig«, sagte Mona. Sie überlegte. »Geht raus«, sagte sie dann. »Beide.«
    »Du spinnst!«, rief Fischer. »Das ist gegen die Regeln! Das machen wir nie so!«
    »Geht raus. Beide.« Mona sah Fischer an. Sie wusste, was sie tat und dass Berghammer das erfahren würde. Sie verteidigte sich in Gedanken. Es war eine enorm wichtige Vernehmung. Vielleicht gab es eine Chance.
    Fischer war gut in einer bestimmten Sorte von Vernehmungen, aber wenn es um Liebe ging, würde Farkas einer Frau im gleichen Alter wie Karin Belolavek mehr erzählen. Sie hätte auch Bauer gerne dabehalten, denn Bauer war unaggressiv, sensibel und so alt wie Farkas - er und Mona hätten ein Paar abgegeben, das wie ein Spiegelbild der Konstellation Farkas - Belolavek hätte wirken können. Aber es war sinnlos, das Fischer jetzt zu erläutern, solche Argumente würden ihn erst recht

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