Untreu
hätte sie sich die letzten zwei Stunden in einem schalldichten Raum befunden, hörte sie plötzlich wieder die Geräusche der Straße, das Tippen der Protokollantin, das Surren des Tonbandgeräts auf dem Tisch zwischen ihr und Farkas.
»Du hast sie wirklich... geliebt?« Ihre Stimme klang heiser in ihren Ohren.
»Ich schwör's, dass es so war. Ich liebe sie immer noch. Wenn sie zurückkommt, dann werde ich wie ein Hund vor ihrer Tür sitzen und auf sie warten.«
»Aber da gab's doch bestimmt eine Menge Probleme zwischen euch. Ich meine, Karin Belolavek war viel älter als du, die hatte einen ganz anderen Hintergrund.«
»Na und?«
»Jetzt tu nicht so naiv. Ich meine, worüber habt ihr zum Beispiel geredet? Ich meine, wenn ihr mal nicht... also...«
Farkas stand auf und reckte sich, und Mona ließ ihn gewähren. Er ging ein paar Schritte, steifbeinig, als müsste er sich erst wieder daran gewöhnen. Dann stützte er sich mit beiden Händen auf den Tisch. »Sie könnten sich das nicht vorstellen, was? Mit einem wie mir was zu haben, oder?«
Mona sagte nichts. Sie konnte sich das ja eben nur zu gut vorstellen. Vielleicht war sie deshalb so - berührt. Anton war nicht jünger als sie, aber auch er ließ sich nicht in ihr Leben integrieren, nicht vollständig jedenfalls. Und dennoch war sie nie von ihm losgekommen, und das lag nicht nur an ihrem gemeinsamen Sohn.
»Sie hatte die Probleme, nicht ich. Sie hat das alles nicht gepackt, ich schon. Sie hat ständig nachgedacht, sich alle möglichen Sorgen gemacht, und dann wurde ich sauer... Ich hätte nicht sauer werden dürfen. Ich hätte sie verstehen müssen. So. Ist das jetzt klar? Kann ich jetzt gehen?«
»Noch nicht. Wir müssen noch mal über den Mord an ihrem Mann reden.«
»Scheiße, ich weiß da nichts drüber!«
»Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
Widerwillig setzte sich Farkas wieder hin und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Was war das jetzt? Dachte er etwa über den Zeitpunkt nach? Wollte er ihr weismachen, dass er sich daran nicht mehr erinnern konnte?
»Wann?«, fragte Mona mit harter Stimme.
Erstaunt registrierte sie, wie wichtig ihr Farkas' Antwort war. Sie wollte ihm seine Geschichte glauben. Sie mochte ihn und wollte glauben, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Wenn er jetzt anfing, sich zu winden und herauszureden, dann hätte sie sich eingestehen müssen, dass die vorangegangenen Anstrengungen Zeitverschwendung gewesen waren. Wenn nicht, konnte sie sich einreden, dass die Vernehmung ein Erfolg war (und sie brauchte einen Erfolg, oh, wie sie ihn brauchte!). Dabei hatte Farkas keinerlei Beweise für seine Behauptungen geliefert. Er war nach wie vor verdächtig, egal, was er sagte oder wie er es tat. Es hatte sich nichts geändert.
»Der 30. August«, sagte Farkas und hob die Hände in einer Gebärde, die sagen sollte: Der Klügere gibt nach. »Ein Dienstag. Am Nachmittag. Sie war bei mir, in meiner Wohnung. Sie hat mir gesagt, dass es aus ist.«
»Wie? In welchen Worten?«
»Wie, wie! Ist doch egal, wie! Es ist aus, ich kann nicht mehr, ich kann das vor meiner Familie nicht verantworten. Ich liebe dich, aber es geht nicht mehr.«
»Wie hast du reagiert?«
»Geheult. Dann gebittet und gebettelt. Ich hätte alles gemacht, verstehen Sie? Ich hätte sie geheiratet, alles.«
»Du hast sie nicht etwa bedroht?«
»Nein!«
»Du hast schon mal ein Mädchen...«
»Ich weiß, aber das war ganz anders.«
»Wie anders?«
Farkas suchte nach Worten. »Sie war ganz anders. Karin war eine ... richtige Frau, kein Mädchen. Ich hab sie verstanden. Sie hat es mir ganz ruhig erklärt, und ich hab es verstanden. Irgendwie.«
»Verstehst du, dass du im Moment trotzdem der Hauptverdächtige bist?«
»Nein, versteh ich nicht! Ich kenn ihren Mann gar nicht. Ich weiß nicht mal, wie der aussieht. Wieso soll ich den umbringen? Hab ich doch nichts von.«
»Nach deinen eigenen Worten hast du sehr wohl was davon. Karin Belolavek wäre frei gewesen. Für dich. Plus eine Erbschaft.«
Farkas schüttelte den Kopf, resigniert. »Das hätte die Karin doch nie gemacht. Nie!«
»Also, Karin Belolavek macht Schluss mit dir. Dann fährt sie weg.«
»Ja. Seitdem hab ich sie nicht wieder gesehen. Ganz, ganz ehrlich nicht. Ich hab versucht, sie anzurufen, aber da lief immer nur das Band. Das Handy hatte sie ausgestellt.«
»Und das Nächste, was du hörst...«
»In der Glotze. Ich sehe den Garten, alles total versaut. Sie war so stolz auf ihren Garten.
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