Untreu
sage ich mir immer häufiger - dann, wenn ich mich selbst quälen will -, liegt doch schon in der Frage. Ich hatte nie ein Recht, es so weit kommen zu lassen. Ich hatte dagegen jede Möglichkeit, alles rechtzeitig im Keim zu ersticken. Dann könnte der verheißungsvolle Anfang heute eine schöne, nostalgische Erinnerung sein, so ähnlich wie gepresste Rosenblätter in einem Poesiealbum. Süß und ein wenig ältlich duftend und für niemanden gefährlich.
Ich spreche nicht mit dir über diese Grübeleien. Du reagierst empfindlich auf jede Äußerung, die so etwas wie Zweifel beeinhaltet. Du verlangst von mir das, was auch eine jüngere Frau von ihrem älteren Liebhaber verlangen würde: souveräne Sicherheit in jeder Situation. Du wirst aggressiv, wenn ich Verzagtheit zulasse, und damit ist der Beweis erbracht, dass ich auch in deiner Gegenwart bestimmte Gefühle unterdrücken muss. Das ist nicht nur schlecht. Es diszipliniert mich. Ich verstehe plötzlich, wie es Männern zu Mute sein muss, die abhängige Frauen haben. Sie können sich an ihrer Seite stärker fühlen, als sie sind, und dafür zahlen sie willig den hohen Preis, nicht schwach sein zu dürfen, außer wenn sie krank sind.
Man muss seinen Ausstieg langsam vorbereiten, vielleicht gelingt es dann, die Katastrophe doch noch zu vermeiden. Ich beginne damit, die Realität außerhalb unseres Kokons wieder wahrzunehmen. Ich versuche es zumindest und merke mittendrin - wenn ich koche, einkaufen gehe, mich an Diskussionen beteilige -, wie alle meine Gedanken und Gefühle aufgesogen werden von einem Vakuum, das ich nicht benennen kann. Ich denke nicht einmal bewusst an dich und mich, aber ich kann mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Mein Alltag ist wie ein endloser, mühsamer Hürdenlauf, den ich kaum noch bewältige, weil mir der tiefere Sinn all dieser Anstrengungen abhanden gekommen ist. Wozu leiste ich das alles, wer liebt mich dafür und warum?
Ich weiß es nicht mehr. Ich habe Angst. Vor dir, vor mir, vor der Strafe, die mich als Frau ereilen wird, wenn irgendwann doch alles von uns beiden bekannt wird, jedes schmutzige Detail. Wenn wir uns sehen, stürze ich mich auf dich, ersticke dich mit Umarmungen, errege dich und mich, um wieder in diesem Strudel unterzugehen, in dem nur wir beide überleben. Mein Körper trägt deine Male, ich kann sie kaum noch verbergen, und es gibt diese fatale Begierde, sie jemandem zu zeigen - damit anzugeben. Ich muss das beenden, denn sonst tue ich etwas, das nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Nur wir beide! Anfangs warst du eine Bereicherung meines Lebens, ich glaubte damals, einen dunklen, engen Tunnel hinter mir zu lassen und vor mir eine endlose Ebene zu haben, einen weiten Horizont, in dessen umfangreichen Grenzen alles möglich ist. Aber jetzt reduziert sich mein neuer Kosmos nur auf dich und mich.
Das ist nicht das, was ich will und brauche!
Ich will das Ende und könnte es gleichzeitig niemals herbeiführen. Wann immer ich mir vorstelle, ohne deinen Körper, deine Haut, deine Arme (deine Bisse, deine Schläge) auszukommen, überfällt mich eine Panik, als würde mir jemand die Luft zum Atmen entziehen.
Darauf läuft also alles hinaus. Ein junger, starker Körper, dem man Geist und Charakter andichtet, um die eigene banale Gier nach Jugend und Schönheit seelenvoll zu bemänteln. Ich weiß jetzt, dass ich dich brauche, aber über die Gründe mache ich mir keine Illusionen mehr. Dieser Zustand ist so furchtbar, dass ich ihn nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünsche. Diese Frau will ich nicht sein, ich will sie nicht einmal kennen. Sie ist nicht sympathisch und schon gar nicht bemitleidenswert. Aber ich komme nicht heraus aus ihrer Haut.
Kapitel 16
»
Sie hat gesagt, es geht nicht mehr«, sagte Farkas und verstummte. Er war sehr blass, wie ausgelaugt von seiner Beichte. Zwei Stunden waren vergangen, seit er begonnen hatte, über seine Beziehung zu Karin Belolavek zu reden. Mona hatte gar nicht viel fragen müssen, es war alles nur so herausgeströmt aus ihm, als sei sein Bedürfnis, zu reden und Verständnis zu finden, tiefer als sein sorgsam antrainiertes Misstrauen. Nun saßen sie voreinander, ein Mann und eine Frau, und es entstand ein Gefühl der Peinlichkeit. Farkas hatte seine Seele entblößt, und Mona hatte ihm dabei zugesehen.
»Kann ich jetzt gehen?« Langsam baute sich die Schutzschicht wieder auf, die Farkas brauchte, um in seiner Welt zu überleben.
Mona antwortete nicht sofort. Als
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