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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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dass sie hören will, was jetzt kommt: die Wahrheit.
    DEINE MUTTER IST DIE LÜGE.
    Maria bleibt die Luft weg, aber sie wagt nicht, die Seance zu unterbrechen. Ihr Finger ruht wie festgeklebt auf der Plakette. Sie schafft es nicht einmal, ihre Augen zu schließen.
    ELIMINIERE SIE.
    Mona saß neben Bauers Bett und horchte auf die piependen Monitore, das rhythmisch zischende Geräusch der Beatmungsmaschine. Bauers Gesicht war blass und wirkte sehr jung. Ein sensibler junger Mann, den sie überfordert hatten - Forster und Schmidt mit ihren Zombie-Horrorgeschichten, Fischer mit seiner arroganten Art, Mona mit der Unfähigkeit, auf seine Verletzlichkeit angemessen einzugehen. Bauers Augen waren geschlossen und würden es vielleicht bleiben. Vielleicht würde er auch wieder aufwachen - als Behinderter. Vielleicht würde er ihnen nie sagen können, was in jener Nacht passiert war, als er Farkas verfolgte.
    Mona beugte sich vor, legte ihre Hand auf seine und sah noch einmal hoffnungsvoll in sein Gesicht. Er zeigte keine Reaktion. Sie drückte Bauers Hand ein letztes Mal und ging.

Kapitel 3
    Nachts fuhr sie hoch, von Entsetzen überwältigt. Nichts existierte mehr in ihr außer der Angst. Angst: ein tosender Wasserfall, ein hysterischer Strudel, der sie nach unten zog, mitten in jene Gebiete, die man wohlweislich mied, wenn man gesund und wach war. Angst wovor? Sie wusste es nicht, denn für diese Frage war es längst zu spät. Sie stöhnte laut und gequält auf und kam dann langsam wieder zu sich.
    Aus der Dunkelheit schälten sich die vertrauten Dinge ihres Schlafzimmers. Bettdecke, Spiegel, Kommode, Stuhl, Schrank. Sie war am Leben, und ihr fehlte nichts. Es war nur ein Traum gewesen. Ihr Atem beruhigte sich, sie stand auf und sah nach Lukas. Vor zwei Tagen war sie ebenfalls ohne Grund aufgewacht, und dann hatte man sie vom Mordversuch an Bauer in Kenntnis gesetzt, und sie war, wie schon hunderte von Malen zuvor, in irgendwelche nach kaltem Rauch stinkende Kleidungsstücke geschlüpft, hatte sich noch im Halbschlaf die Zähne geputzt, hatte die Wohnungstür leise hinter sich geschlossen, um Lukas nicht zu wecken, war die Treppe heruntergestolpert und hatte auf der Straße minutenlang überlegen müssen, wo ihr Auto diesmal stand: wie immer. Und doch ganz anders.
    Mona schaute auf Lukas, der tief schlief, in derselben Position wie schon in der vorvorigen Nacht. Ein gespenstisches Déjà vu. Sie ging in ihr Zimmer zurück, legte sich ins Bett und schaltete die Nachttischlampe ein. Es war vier Uhr morgens, aber sie wollte nicht mehr schlafen. Sobald sie einschlafen würde, würde das Telefon läuten, und es gäbe eine neue Hiobsbotschaft, zum Beispiel die, dass Bauer seinen Verletzungen erlegen sei. Wenn sie wach blieb, dachte sie, würde Bauer vielleicht überleben. Sie musste das Muster durchbrechen. Sie musste verhindern, dass diese Nacht einen ähnlichen Verlauf nahm wie die vorvorige.
    Sie legte sich auf den Rücken und bettete ihren Kopf auf den rechten Unterarm. Sie starrte auf die Decke wie auf eine Filmleinwand. Ihr übermüdetes Gehirn spielte ihr seltsame optische Streiche. Die Decke schien überzogen mit Schlangenlinien, dann wieder war sie voller bunter Punkte und Sterne. Mona zwang sich, die Augen offen zu halten, denn fielen sie jetzt zu, würde sie in ihrer derzeitigen Verfassung in einen todesähnlichen Schlaf versinken, aus der sie erst der Wecker reißen würde - oder das Telefon.
    Sie musste wach bleiben. Wenn sie wach blieb, würde Bauer überleben. Sie war sich ganz sicher.
    Sie dachte an Fischer, der vielleicht befördert werden würde. Vielleicht würde sie dann versetzt werden, irgendwohin auf eine ländliche Polizeidienststelle, wo nichts passierte außer Fahrraddiebstählen und Nachbarschaftsstreitigkeiten. Und Todesfälle auf den Bundestraßen natürlich, auf dem Heimweg von der Disko. Zerfetzte Leichen jugendlicher Beifahrer, vom Fahrer ganz zu schweigen.
    Auf dem Land war es nicht idyllischer als hier.
Da bringen sich die Leute selber um,
hatte der Insektenforscher gestern gesagt, und eine kleine Schilderung fantasievoll geglückter Suizide angefügt. Manche täuschten sogar einen Mord vor. Fügten sich selbst bei vollem Bewusstsein schwerste Verletzungen zu, um nicht mit dem Stigma des Selbstmörders erinnert zu werden.
    Macht Ihnen das Spaß?,
hatte Mona ihn anschließend gefragt.
    Was? Die Leichenarbeit? Die Arbeit mit Insekten?
    Sie war sich dumm vorgekommen.
Ja. Ich meine, wir alle hier

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