Unvergessen wie Dein Kuss
Mercury
seine Informationen bezog.
“Du siehst müde aus”, sagte Pen besorgt.
“Ich habe in letzter Zeit kaum geschlafen”, antwortete Isabella mit einem Seufzer. “Das setzt mir etwas zu.”
In Wirklichkeit waren die vergangenen Nächte nicht einfach schlaflos gewesen. Die Zeiten, in denen sie wach war, wechselten ab mit Träumen von Marcus und erstaunlichen erotischen Einzelheiten, die sie immer wieder wach werden ließen und ihr auch am Tag nicht aus dem Sinn kamen.
“Wollten wir nicht zur Duchess of Fordyce gehen?”, fragte Pen und zog ihre Handschuhe aus. Sie wies auf ihr rosarotes Kleid. “Da habe ich mir tatsächlich die Mühe gemacht, das einzige Kleid aus meinem Kleiderschrank abzubürsten, das dem Anlass angemessen ist, und du sitzt hier mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter.”
Die Belustigung in ihren Augen wich langsam, als sie hinzufügte: “Oh, ich vergaß, du solltest ja Mr Churchward wegen Ernests Schulden aufsuchen, nicht? War es so schlimm?”
“Schlimmer”, erwiderte Isabella.
Pen schnalzte mit der Zunge. “Dann bin ich aber überrascht, dass ich dich nicht beim Packen antreffe”, sagte sie. “Hatte Mr Churchward dir nicht den Rat gegeben, wieder auf den Kontinent zurückzukehren?”
“Das war einer seiner Vorschläge”, antwortete Isabella etwas ausweichend. Sie hatte nicht die Absicht, Pen etwas von ihrer Zweckheirat zu erzählen, denn sie wusste, dass die Schwester ihr Handeln nicht billigen würde. Noch dazu würde sie ihre Missbilligung in unangenehm belehrender Form zum Ausdruck bringen. Und da Isabella ohnehin vorhatte, die Ehe aufzulösen, bevor die Tinte auf dem Dokument getrocknet war, bestand keine Notwendigkeit, dass Pen irgendetwas darüber erfuhr. Manchmal sehnte Isabella sich nach einer Vertrauten, aber in den letzten Jahren hatte sie sich daran gewöhnt, möglichst viel für sich zu behalten. Außerdem wusste sie, wie gefährlich es war, das Thema Marcus Stockhaven zu berühren.
“Dieses Haus soll verkauft werden”, fuhr Isabella fort. “Nicht dass ich das besonders bedaure; denn es war Ernests Haus, und er hat es mit seinem üblichen schlechten Geschmack eingerichtet.”
Pen sah sich um. Sie blickte auf die protzigen Goldverzierungen und die überladene Ausstattung. “Es wäre passend für ein Bordell”, gab sie zu, “als Wohnung könnte es mir nicht gefallen.”
“Mr Churchward glaubt, dass vielleicht ein Krösus das Haus kaufen wird”, sagte Isabella mit finsterem Blick, “als zweites Domizil sozusagen.”
“Hört sich gut an.” Pen läutete, um sich noch einmal Tee bringen zu lassen. “Und wenn du weitere Mittel brauchst”, fügte sie hinzu, “dann könntest du diesen protzigen Nippes verkaufen, den Ernest nach und nach angesammelt hat.”
Isabella schüttelte den Kopf. “Das Zeug ist wertlos. Genau wie mein Schmuck zum größten Teil unecht ist, so sind diese Sachen auch nur vergoldet. Die Schätze der Familie Di Cassilis sind vor Jahren für Ernests Vergnügungen verpfändet worden.”
Pen seufzte. “Das ist bitter. Du musst ja manchmal den Drang verspürt haben, Ernests englische Maßanzüge in Stücke zu schneiden und aus purer Rache auf die Straße zu werfen.”
Eine Falte erschien auf Isabellas Stirn. “Ich kann die Anzüge nicht vernichten”, sagte sie ernst, “ich bin darauf angewiesen, sie zu verkaufen.”
Ein Diener brachte ein Tablett mit frisch aufgebrühtem Tee, einer Porzellantasse und einigen frischen Scones.
Pen goss sich Tee ein. “Scones am Abend!”, rief sie entzückt aus. “Eine wunderbare Stärkung für einen Ball.” Dabei rührte sie bedächtig Honig in ihren Tee. “Wo wirst du wohnen, wenn das Haus verkauft ist, Bella?”
“Mit dem Geld, das Tante Jane mir hinterlassen hat, kann ich zurückgezogen auf Salterton Hall wohnen. Das Einsiedlerleben wird mir zusagen.”
Pen, die gerade einen Schluck heißen Tee nahm, hätte sich beinah verschluckt.
“Du machst dir etwas vor, Bella, wenn du denkst, dass das Leben in einem Seebad dich zur Einsiedlerin macht”, erklärte sie. “Du wirst immer die Neugierde der Leute erregen, besonders in einem so kleinen Ort wie Salterton.”
“Nachdem ich in Ernests Schatten in ganz Europa umhergezogen bin, wird mir Ruhe und Frieden guttun, das kannst du mir glauben. Ich bin überzeugt, dass Salterton mich nicht im Geringsten skandalträchtig oder auch nur interessant finden wird.”
“Und du kannst
mir
glauben”, erwiderte Pen mit leichtem Spott, “dass
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