Unvergessen wie Dein Kuss
Wagen vor dem Haus hielt. In der Eingangshalle brannten zwei Lampen. Die heiße Sommernacht bei Mondschein hätte romantisch sein können, aber Isabella war beunruhigt, voller Misstrauen und Angst. Marcus saß ihr mit ausdruckslosem Gesicht gegenüber. Er hatte sich seines Gehrocks und seiner Weste entledigt und sein Halstuch gelöst. Isabella hoffte inständig, dass die Hitze der Grund dafür war und nicht die Absicht, sie noch während der Fahrt zu nehmen. Sie war sich nicht sicher. Bei dem Mondlicht sah er sowohl sehr elegant als auch markant männlich aus.
“Warum haben Sie sich nicht an Ihre Freunde gewandt, als Sie verschuldet waren?”, fragte er plötzlich. “Sie hätten Ihnen gern geholfen.”
Isabella straffte sich etwas in ihrem Sitz. “Ich leihe mir kein Geld von meinen Freunden”, antwortete sie ruhig.
“Stolz ist eine teure Handelsware”, sagte er.
“Es ist nicht Stolz, Stockhaven”, antwortete sie leise. “Es ist Selbstachtung.”
Marcus schwieg und half ihr dann aus dem Wagen.
Belton blieb völlig unerschütterlich und behielt seine diskrete Miene, als er Isabella Di Cassilis am Arm ihres Mannes sah.
“Guten Abend, Eure Durchlauchtigste Hoheit, Mylord …”, begrüßte er sie mit tadelloser, sehr förmlicher Verbeugung, obwohl er es nicht gewohnt war, dass seine Herrin Gentlemen mit nach Hause brachte. “Ich hoffe, dass Sie einen schönen Abend hatten. Darf ich Ihnen eine Erfrischung bringen?”
“Ja bitte”, antwortete Isabella leise und streifte ihre Handschuhe ab. “Ich nehme ein Glas Portwein im Arbeitszimmer.” Sie warf einen Blick auf Marcus. “Nein, lieber eine Flasche. Lord Stockhaven?”
Marcus half ihr, den Umhang abzulegen, und kam so dem Butler zuvor, dessen Gesichtsausdruck, wenn überhaupt möglich, noch ausdrucksloser wurde. Isabella spürte Marcus’ Hand auf ihrem Nacken, als das Kleidungsstück von ihren Schultern glitt. Die Berührung schien ihr seltsam vertraulich, und sie entzog sich ihm, so schnell sie konnte.
“Weinbrand bitte”, sagte er.
“Gewiss, Mylord”, sagte Belton steif und ging.
Ein Diener öffnete die Tür zum Arbeitszimmer und schloss sie hinter Isabella und Marcus leise wieder. Schweigen herrschte zwischen ihnen.
Isabella ging zum Fenster und zog die langen Vorhänge zurück. Der kühle Luftzug tat ihrem erhitzten Gesicht gut. Vor Anspannung waren ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. Sie wartete darauf, dass er etwas sagte.
Marcus stand mit dem Rücken zum Kamin, hatte die Hände in den Taschen und sah sehr entspannt aus. Er hatte sich völlig in der Gewalt und beherrschte die Situation. Isabella fühlte sich plötzlich sehr müde: zermürbt von der dauernden Verstellung, dem Kleinkrieg – und dem Wissen, sich immer weiter von ihm zu entfernen. Sie wandte sich an Marcus und blickte ihm direkt in die Augen.
“Sie versuchen, mich zu brechen, Stockhaven”, sagte sie, “aber es wird Ihnen nicht gelingen.”
Marcus kam zu ihr herüber und fasste sie bei den Schultern. Er blickte lange in ihre abweisenden Augen.
“Nein”, antwortete er mit einem leichten Lächeln. “Das wird es wohl nicht.”
“Aber dann …” Sie machte eine abwehrende Handbewegung. “Was wollen Sie von mir?”
“Ich will mit Ihnen ins Reine kommen”, sagte er wieder. “Ich will eine Erklärung, eine Abrechnung, und ich will eine Hochzeitsnacht. Was wollen
Sie
?”
Sie holte tief Luft. “Ich will, dass Sie mich in Ruhe lassen.”
Seine Augen blitzten auf. “Gut, abgemacht. Wenn Sie mir geben, was ich will, werde ich meinen Teil der Vereinbarung einhalten.”
Isabella musterte ihn gründlich. Der warme, spärlich beleuchtete Raum bot sich für Intimitäten und Vertraulichkeiten geradezu an. Allerdings wollte sie sich Marcus Stockhaven gar nicht anvertrauen. In ihr war es kalt, und sie fühlte sich verraten und unglücklich. Ehe sie das volle Ausmaß seines Misstrauens begriffen hatte, hätte sie ihm die gewünschte Erklärung vielleicht gegeben. Aber jetzt war das nur hoffnungslose Zeitverschwendung. Sie würde ihm ihre Vergangenheit offenlegen und sich so seinem Hohn und Spott noch stärker aussetzen, und sie war nicht sicher, ob sie das aushalten könnte.
Was die Hochzeitsnacht betraf …
Der Gedanke daran ließ ihren ganzen Körper erzittern. Ein Teil von ihr sehnte sich leidenschaftlich und fast verzweifelt danach, aber sie wusste, dass sie sich einem Mann, der sie hasste, nicht hingeben konnte. Sie fühlte sich hoffnungslos zu Marcus
Weitere Kostenlose Bücher