Unvergessen wie Dein Kuss
zurück?”, rief Pen ihm nach. Er drehte halb den Kopf, antwortete aber nicht, sondern beeilte sich noch mehr. Auf eine Droschke musste er leider verzichten – das konnte er sich nicht leisten.
Die frische Morgenluft ließ seinen Kopf wieder klar werden, aber gleichzeitig wurde ihm übel vor lauter Angst. Edward Warwick. Wie war es eigentlich so weit mit ihm gekommen? Die ganze Angelegenheit hatte vor so langer Zeit angefangen, dass es schwierig war, sich richtig zu erinnern. Freddie war sehr unglücklich gewesen, nachdem seine Cousine India Southern seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Er war jung gewesen und an Niederlagen nicht gewöhnt. Daraufhin hatte er sich dem Familienlaster des Trinkens und Schuldenmachens hingegeben. Von da an war es mit ihm zwar sehr langsam, aber unvermeidlich immer weiter abwärts gegangen – bis zu dem schrecklichen Augenblick, da er seinem Vater gestehen musste, dass er wegen seiner hohen Schulden wohl im Fleet-Gefängnis enden würde.
Freddie sah immer noch das Gesicht seines alten Herrn vor sich, das vor Abscheu und Missbilligung zuckte. Lord Standish war sich nicht zu schade gewesen, seinen einzigen Sohn bitter für die Schwächen zu tadeln, die er ihm selbst vorgelebt hatte.
Es gab natürlich nichts, womit sein Vater ihm damals hätte helfen können. Lord Standish war schon dabei, das Vermögen zu verlieren, mit dem Fürst Ernest Di Cassilis ihn ganz nebenbei bedacht hatte. Das Thema Fleet wurde nicht mehr behandelt, und dann war Warwick wie die Antwort auf all ihre Gebete aufgetaucht, indem er Vater und Sohn für ein paar gute Worte hier und eine Gunst dort Geld anbot. Es war ihnen unkompliziert vorgekommen. Was Warwick wollte, war Einfluss – eine Meldung in den Zeitungen, ein heimliches Wort zu einem Mitglied des Parlaments, eine Gerichtsentscheidung nach seinem Willen … Vater und Sohn Standish waren willfährig, wo sie nur konnten. Natürlich wäre es ganz etwas anderes gewesen, wenn Warwick gesellschaftliche Anerkennung angestrebt hätte. So etwas wäre nicht infrage gekommen.
Freddie erreichte schließlich die Wigmore Street, nachdem er sich in dem Labyrinth um die James Street herum etwas verlaufen hatte. Er war ganz außer Atem, als er das noble Modegeschäft betrat und die Treppe hinaufging. Dass man ihn fast eine ganze Stunde warten ließ, überraschte ihn nicht. Schließlich wurde er über eine Hintertreppe in Warwicks Büro geführt.
Edward Warwick reichte ihm mit einem Minimum an Höflichkeit kurz die Hand.
“Standish. Wie gut, dass Sie so schnell gekommen sind.”
In seinen Worten lag ein Anflug von Spott. Er wusste, wie lange Freddie hatte warten müssen. Freddie spürte, wie eine heiße Welle von Demütigung und Verzweiflung über ihn hereinbrach. Er steckte viel zu tief in dieser Sache mit Warwick, als dass er sich noch aus dessen Fängen hätte befreien können. Selbst wenn er das Gefühl hatte, dass Warwick letztlich etwas viel Gefährlicheres von ihm wollte als nur ein paar Informationen.
“Ihre Schwester ist jetzt also Countess of Stockhaven.” Warwick sprach langsam und ruhig. Aber wie ein Tier, das Gefahr wittert, bemerkte Freddie etwas in Warwicks Ton, das ihn beunruhigte. Er antwortete nicht. In dem Büroraum kam es ihm stickig vor, und schon spürte er, wie der Schweiß ihm am Rücken hinabrann. Warwick hatte die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst.
“Stockhaven scheint immer die Dinge zu bekommen, die ich haben will”, sagte er. “Das Haus am Meer … das Vermögen … die Frau …”
Freddie war so entsetzt, dass er ohne zu überlegen sagte: “Sie wollen Isabella?”
Warwick warf ihm einen feindseligen Blick aus seinen schiefergrauen Augen zu. “Nicht
die
Frau, Lord Standish, so bezaubernd Ihre Schwester zweifellos ist. Stockhaven war bereits zuvor verheiratet, aber es scheint, dass alle das gern vergessen wollen.”
Freddie spürte einen Druck in der Magengegend. “Sie meinen India”, sagte er mit belegter Stimme. Er runzelte die Stirn, um gegen die Wärme und das Dröhnen in seinem Kopf anzugehen. “Sie kannten sie?”
“Sehr gut sogar”, antwortete Warwick mit dem Anflug eines bösen Lächelns. “Das ist lange her. Zwölf Jahre jetzt.”
Freddie rieb sich die Augen. Er schien alles nur noch verschwommen zu sehen, und das Dröhnen in seinem Kopf wurde lauter. Es schien ihm unbegreiflich, dass India, die so mild und freundlich gewesen war, in irgendeiner Weise mit diesem Mann bekannt gewesen sein sollte, aus
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