Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
gegen Widerstand an. Ich stelle mir vor, dass sie ihn ruhig und leise bricht. Weißt du, wohin sie von hier aus geht? Wenn sie nicht bei der Duchess bleiben will, könnte sie vielleicht auch mit uns kommen.«
Olivia zog die Stirn in Falten und war überrascht über Jacks Eindruck. »Sie erzählte etwas von einem Zuhause, das sie schon zu lange nicht mehr gesehen habe. Ich denke, sie wird weiterziehen, sobald die Aufregung sich hier gelegt hat.«
»Ach, so ein Jammer. Sie wäre eine gute Gouvernante für unsere Kinder geworden.« Er grinste. »Denk doch nur mal daran, was sie ihnen alles beibringen könnte. Reiten, schießen, Nahrungssuche.«
Olivia blickte ihn an und stellte fest, dass es nur teilweise im Scherz gemeint war. Er sprach über eine Zukunft: ein Zuhause, Kinder, eine Familie. In seinen Augen stand ein seltsames Verlangen, und sein Lächeln trug einen Hauch von Wehmut in sich, die direkt in Olivias Herz drang.
»Ich wünschte, wir hätten schon ein Kind, Liv«, sagte er und ergriff ihre Hand. »Ich glaube, ich habe mir gewünscht, dass du mein Kind unter dem Herzen tragen würdest und ich meinen Kopf auf deinen Bauch legen und ihm erzählen könnte, was für eine wunderschöne Mutter er hat.«
Er wollte, dass sie ihm versicherte, dass es möglich war. Dass sie es sich genauso sehr wünschte wie er. Was sie wollte, schnürte ihr den Hals zu und drohte, sie zu ersticken.
Olivias Idylle dauerte nur drei Tage. Aber es waren Tage voller Lachen und Leidenschaft und Verbundenheit. Es waren Tage, die so verführerisch waren, dass sie ihre Vorsicht vergaß.
Sie hätte es besser wissen müssen. Sie hatte schon Tage wie diese erlebt, und am Ende war doch alles zerbrochen. Aber diesmal war Jack anders. Ruhiger, besonnener, nachdenklicher.
Es war nicht so, als wäre er vorher nicht besonnen gewesen. Doch sein Handeln schien immer aus einer Laune und nicht so sehr aus Überlegungen heraus geboren zu sein. Eine Blume, die er auf einem Feld gepflückt hatte, an dem sie vorbeigekommen waren, ein Kätzchen, das er auf einem Heuboden gefangen hatte. Küsse, wenn er sie gesehen hatte, und Rosen, wenn er gegangen war. Aber dazwischen hatte sie immer den Verdacht gehabt, dass die Erinnerung an sie über diesen Moment hinaus wieder verschwunden war.
Viel später, als sie wieder einigermaßen in der Lage gewesen war, über Jacks schnellen Treuebruch nachzudenken, war sie zu dem Schluss gekommen, dass er sie genauso unbesonnen verstoßen hatte, wie er sie geliebt hatte und wie er auch sonst alles in seinem Leben getan hatte. Impulsiv, mit all seinen Emotionen und keinem Fünkchen Vernunft.
Vielleicht wäre es dieses Mal anders. Vielleicht würde sie, wenn sie ihn jetzt verließ, nicht einfach aus seinen Gedanken verschwinden und später wieder auftauchen wie irgendein Gegenstand. Vielleicht würde er, wenn er sich endlich erinnerte, die fürchterlichen Tage von damals noch einmal überdenken und dann einsehen, wie schrecklich falsch er gelegen hatte.
Immer häufiger spielte sie mit dem Gedanken an Dauerhaftigkeit. An Vertrauen. Mehr als ein Mal ertappte sie sich dabei, wie sie das Medaillon betastete und darüber nachdachte, Jack alles zu erzählen.
Doch hatte sie sich das nicht schon allzu oft gewünscht? Es war wie eine ständige Wiederholung in ihrem Kopf: Vertraue ihm. Er wird dich nicht verlassen. Er wird dir nicht wehtun.
Die vorsichtige Seite in ihr kämpfte gegen den Drang an, daran zu glauben. Sie kämpfte gegen die gespannte Erwartung an und gegen die Zuversicht. Sie kämpfte dagegen, Wunder zu erwarten. Aber am meisten kämpfte sie gegen die Hoffnung.
Die Hoffnung jedoch, so hatte sie es gelernt, war ein hinterlistiger Feind.
Das Ende kam schnell. Lady Kate war gerade vierundzwanzig Stunden zurück und brachte immer noch ihr Gefolge im Haus unter. Bei ihrer Ankunft hatte sie einen Blick auf Olivia geworfen und war in Lachen ausgebrochen. Dann hatte sie sie umarmt, als hätte sie Blumen aus dem Nichts hervorgezaubert, und kein Wort darüber verloren, dass Olivia noch immer im selben Raum schlief wie Jack. Bea tätschelte Olivias Wange und flüsterte: »Orangenblüten.«
Olivia wusste nicht, was sie tun sollte, außer weiterzumachen wie bisher. Sie unterstützte Lady Kate im Haushalt, und Jack half Harper und Finney, deren erster Auftrag lautete, das Grundstück gegen Überraschungen zu sichern. Ihr zweiter Auftrag war es, Thrasher loszuschicken, damit er sich umhörte, was die Leute so sagten. Die
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