Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
Leute sprechen meine Sprache. Vor allem wegen des Militärs.«
Jack nickte nachdenklich, als er mechanisch sein Essen in den Mund schob und es mit dem bitteren dunklen Bier hinunterspülte. »Würdest du dir gern ein bisschen Geld verdienen?«
Der Junge blieb am Bett stehen und beugte sich vor, um etwas neben dem Kissen zu betrachten. »Das würde mir sehr gut passen.«
Jack nickte gedankenverloren und versuchte, sich irgendetwas ins Gedächtnis zu rufen, einen Anhaltspunkt, um den Jungen losschicken zu können. Es war so frustrierend. Er hasste die Schwäche, die Unsicherheit, den fürchterlichen Verdacht, dass das, was auch immer im Verborgenen lag, ihn verletzen würde.
Hatte er überhaupt das Recht, diesen Jungen loszuschicken?
»Was ist das?«, fragte Thrasher. »Ein privater Geheimvorrat?«
Er zog etwas unter Jacks Kissen hervor. Jack sah zu ihm und erkannte, dass der Junge etwas Silbernes in der Hand hielt. Eine Flasche. »Ich habe keine Ahnung. Leg sie zurück.«
Thrasher zuckte mit den Schultern und gehorchte.
»Kannst du etwas für mich herausfinden?«, fragte Jack.
Der Junge streckte den Arm aus, um sich ein Stückchen Roastbeef zu stibitzen, und schnaubte. »Ich würde es nicht sagen, wenn ich es nicht könnte.«
»Kannst du mir helfen herauszufinden, wie ich nach Belgien gekommen bin?«
Der Junge blickte zu ihm hoch und runzelte die Stirn. »Vielleicht.«
»Das bleibt aber unter uns, ja?«, sagte Jack und sah in diese wissenden, braunen Augen. »Ich will Lady Kate nicht beunruhigen.«
Der Junge schien über Jacks Angebot nachzudenken. »Ich werde nicht lügen.«
Das konnte Jack auch nicht von ihm verlangen. »Ich will die Frauen nur schützen. Es kann sein, dass etwas Schlimmes passiert ist.«
Das schien die Entscheidung zu bringen. »Da kann ich Ihnen nicht widersprechen. Ich habe gehört, dass einige Kerle auf der Suche nach Ihnen sind, und ich glaube nicht, dass sie Ihnen nur die Hand schütteln wollen.«
Jack erstarrte. »Was meinst du damit?«
Thrasher zuckte mit seinen schmalen Schultern. »Ich konnte nicht viel hören. Nur ein bisschen Geflüster. Wenn Sie tatsächlich der Earl of Gracechurch sind, sollen Sie laut dieser Kerle etwas Schlimmes getan haben. Da die Kerle aber selbst ziemlich böse aussahen, konnte ich ihnen das nicht ganz glauben.«
Etwas Schlimmes. Wie zum Beispiel für die französische Armee zu kämpfen? Bei dem Gedanken wurde ihm übel.
»Hast du die Duchess deswegen gewarnt? Die Männer wissen ganz sicher, wo ich bin.«
Thrasher schüttelte den Kopf. »Nein. Sie sind ein Geheimnis. Bis Sie selbst wissen, was passiert ist, lassen sie niemanden zu Ihnen.«
Jack war sprachlos. Ergab das irgendeinen Sinn? Warum sollte Livvie ihn von seinen Bekannten und Freunden fernhalten, wenn sie in der Nähe waren? Wovor hatte sie Angst?
»Kannst du herausbekommen, wer mich sucht, ohne dich selbst dabei in Gefahr zu begeben?«
Der Junge lachte auf, als wäre Jack das Lustigste, was er je gesehen hätte. »Gott, Ihre Majestät. Ich bin in den Rookeries aufgewachsen. In ganz Belgien gibt es niemanden, der schlimmer wäre als die Typen, mit denen ich klarkommen musste!«
»Wenn ich du wäre, dann wäre ich nicht so verdammt sicher«, sagte er, und plötzlich drängte eine Erinnerung an die Oberfläche.
Eine Allee. Laut, nass, das Kopfsteinpflaster glänzend im fernen Licht einer Laterne. Der Gestank eines Elendsviertels und die Geräusche eines Flusses in der Nähe. Panik. Hochgefühl.
Ein Messer, das perfekt in seiner Hand lag, kühl zwischen seinen warmen Fingern. Die Silhouette eines dicken Mannes. War er ihm zugewandt? Er konnte es nicht erkennen. Doch er sah das Funkeln eines weiteren Messers im schummrigen Licht und stieß zu.
In dem Moment spürte er es, als wäre die Erinnerung lebendig geworden. Die Leichtigkeit eines Stoßes, das kratzende Geräusch von Metall auf Knochen. Er hörte das Keuchen. Das Gurgeln. Er fühlte das Gewicht des erschlafften Körpers unter seinen Händen.
»Gouverneur?«
Erschrocken blinzelte Jack. Er hob die Hand an seinen schmerzenden Kopf und stellte fest, dass er zitterte.
Er hatte einen Mann getötet.
»Ich habe vielleicht jemanden umgebracht.«
»Na ja, sicher«, erwiderte Thrasher. »Sie waren in Waterloo.«
Aber das war nicht Waterloo gewesen. Galle stieg in Jacks Kehle auf, und ihm brach der Schweiß aus. Einen Augenblick lang konnte er nicht einmal den dürren Jungen mit den abstehenden Ohren erkennen, dem er gerade seine
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