Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
standen, hatte Lady Kate die kleine Runde in den zitronengelben Salon im hinteren Teil des ersten Stockes geführt. Und wie Mr Hilliard ganz richtig festgestellt hatte, saßen die Frauen wie die Geschworenen bei Gericht hinter dem Teewagen aufgereiht.
Olivia verlor ihr Vertrauen in Mr Hilliard. Sicherlich war er zu egoistisch, um sich in diese Sache hineinziehen lassen zu wollen. Zu unnahbar. Wie konnten sie Diskretion von jemandem erwarten, der seine spitze Zunge wie einen Degen nutzte?
»Es tut mir leid, das sagen zu müssen«, erwiderte Lady Kate, als sie ihm einen der Louis-Quinze-Sessel anbot, »aber wir sind nicht zum Scherzen hier. Wir haben ein außergewöhnliches Problem, das du vielleicht gern lösen würdest. Ich habe Finney gebeten, den achtundneunziger Amontillado zu öffnen, den du so gern magst.«
Diccan hob die Augenbrauen. »Es muss ernst sein.« Er schlug die Rockschöße nach hinten und setzte sich auf einen verschnörkelten goldenen Sessel, der eigentlich wie für ihn hätte gemacht sein sollen. Seltsamerweise wirkte der Sessel jedoch nur überladen und klein. Der Anblick erinnerte Olivia daran, dass Diccan Hilliard körperlich stark war – ganz im Gegensatz zu seinem Charakter.
»Es freut mich zu sehen, dass es Ihnen gut zu gehen scheint«, sagte er, während er sich einen Brandy einschenkte. »Es tut mir leid, dass ich nicht schneller kommen konnte. Aus irgendeinem Grund überhäuft Botschafter Stuart mich gern mit Arbeit.«
»Wie passend«, sagte seine Cousine. »Auch wir möchten nämlich deine diplomatischen Fähigkeiten nutzen.«
»Tapferkeit«, sagte Lady Bea mit einem Nicken, als sie den Tee herumreichte, der bei keiner Zusammenkunft fehlen durfte.
Lady Kate nickte. »Ja, Bea. Und definitiv Verschwiegenheit.«
Er nippte an seinem Brandy und lehnte sich zurück. »Ich bin ganz Ohr.«
Lady Kate schien seine Aufrichtigkeit einschätzen zu wollen. »Olivia kann dir eine Geschichte erzählen«, sagte sie, und Olivia spürte, wie ihr Herz schneller schlug.
»Oh ja«, entgegnete er, »ich liebe gute Geschichten.«
Wieder hatte Olivia das Gefühl, das irgendetwas mit Kates Cousin nicht stimmte. Allerdings konnte sie nicht erklären, was es war, und das machte sie nervös.
»Sie wird sie dir gern erzählen«, sagte Kate, »nachdem ich euch einander vorgestellt habe.«
Diccan sah zwischen ihnen hin und her. »Ich bin vielleicht ein bisschen durcheinander, aber hast du das nicht schon getan? Ich erinnere mich genau daran, weil ich noch weiß, dass ich dachte, wie gut ihr Name zu ihr passt.«
»Ihr richtiger Name passt auch zu ihr. Diccan, darf ich dir Olivia Louise Gordon Wyndham, die ehemalige Countess of Gracechurch, vorstellen?«
Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, erlebte Olivia Diccan Hilliard sprachlos. Vielleicht wurde er sogar ein bisschen blass.
Es dauerte jedoch nur wenige Sekunden. Plötzlich grinste er. »Verflucht! Sie verstecken sich mitten in der Schusslinie, oder, Ma’am?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das ist oft die wirksamste Taktik.«
»Jeanne d’Arc«, rief Lady Bea.
Diccan hob eine Augenbraue. »Wenn Sie damit das reine Herz meinen, meine Liebe, glaube ich Ihnen das. Wenn sie allerdings Stimmen hört …«
»Du kannst dir vorstellen, warum Olivias Identität geheim bleiben muss«, sagte Lady Kate in trügerisch bedächtigem Ton.
Olivia bemerkte die leichte Röte auf Diccans Wangen. Er warf seiner Cousine ein schuldbewusstes Lächeln zu und nippte an seinem Brandy. »Ich kann mir vorstellen, dass Sie die haltlosen Gerüchte satthaben, Countess.«
»Ich bin keine Countess, Mr Hilliard, Mrs Grace reicht.«
Er erhob sein Glas. »Selbstverständlich. Können Sie mir sagen, warum Sie diesen Moment gewählt haben, um Ihre Identität preiszugeben? Und warum offenbaren Sie sich mir?«
»Wegen der jüngsten Ereignisse.« Olivia atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und bemühte sich, Augenkontakt zu ihm zu halten. »Und weil ich erfahren habe, dass Sie über die Gerüchte über Jack Bescheid wissen.«
»Sie meinen, dass er bei Waterloo gekämpft hat? Ich bin mir nicht sicher, ob ich der Richtige bin, um diese Gerüchte zu bestätigen. Ich habe ihn nämlich nicht gesehen.«
Olivia schaute ihm direkt in die Augen. »Ich aber.«
Diccans Lächeln wirkte etwas bemüht. »Wahrhaftig. Sie haben ihn nicht da draußen gelassen, oder? Diesen Wunsch würde ich verstehen. Trotzdem haben Sie es nicht getan.«
»Nein, Mr Hilliard, das habe ich tatsächlich nicht
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