Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
getan.«
»Sie hat ihn hierhergebracht«, erklärte Lady Kate.
Wieder verstummte er. Er starrte Lady Kate an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. »Warum hast du das niemandem gesagt? Seinem Kommandeur, zum Beispiel?«
»Auch wenn der Kommandeur ein Franzose war?«
Olivia wusste nicht, welche Reaktion sie von ihm erwartet hätte. Sicherlich entweder Wut oder Ungläubigkeit. Stattdessen schwieg er wieder. »Tja«, sagte er schließlich, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Klingt, als würde mich eine wirklich gute Geschichte erwarten.«
»Sophokles wäre vor Neid erblasst«, sagte Lady Kate. »Bevor wir allerdings anfangen, wirst du sicher verstehen, dass wir dich um absolutes Stillschweigen bitten müssen.«
»So schlimm?«
»Das ist das Problem. Wir wissen es nicht.«
Einen Moment lang schwenkte er den Brandy in seinem Glas. »Nun ja, es ist hinreichend bekannt, dass ich für ein bisschen Amüsement einiges tue. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
Olivia war sich nicht sicher, ob das reichte. Doch Lady Kate nickte, als wäre sie erleichtert, und sie fühlte sich beruhigt. »Sie können meine Geschichte glauben oder auch nicht. Aber bitte warten Sie mit Ihrem Urteil, bis ich zu Ende gesprochen habe.«
»Oh, ich bilde mir nie ein Urteil«, versicherte er. »Das würde nur dramatisch den Klatsch eingrenzen, in den ich eingeweiht werde.«
Zum ersten Mal lächelte Olivia mit ihm. »Danke.«
Sie musste den Blick abwenden. Ihre Geschichte war zu schmerzvoll. Sie starrte auf das ehemals makellose Taschentuch in ihrer Hand, das sie nervös knetete. Und so knapp, wie sie konnte, erzählte sie ihre Geschichte – von dem Moment an, als sie Jack gefunden hatte.
Mr Hilliard unterbrach sie nur ein Mal, als sie ihm von der Diplomatentasche berichtete, die Jack bei sich gehabt hatte.
»General Grouchy, sagen Sie?«, fragte er und ließ nachdenklich sein Monokel hin- und herschwingen. »Verblüffend. Aus den Berichten, die wir erhalten haben, ging hervor, dass er nie vorgerückt ist. Das hätte den entscheidenden Unterschied für den Ausgang der Schlacht bedeuten können. Ich glaube, seine Position war bei Hougoumont auf der anderen Seite des Schlachtfeldes.«
Zum ersten Mal, seit sie Jack gefunden hatte, empfand Olivia ein kleines Fünkchen Hoffnung. »Dann könnte er die Nachricht vielleicht abgefangen haben, damit sie nicht übergeben werden konnte«, sagte sie. »Wäre es nicht möglich, dass Jack für die britische Regierung gearbeitet hat? Ach, ich weiß nicht, als Nachrichtenoffizier oder so?«
Er schüttelte den Kopf. »Abgesehen davon, dass Nachrichtenoffiziere in den entsprechenden Kreisen des Militärs bekannt sind, achten sie darauf, ihre Aktivitäten hinter den Linien in britischer Uniform durchzuführen.«
Eine weitere Hoffnung wurde mit einem Schlag zunichtegemacht. »Ich verstehe.«
»Doch das hat er Ihnen bestimmt selbst gesagt.«
Dies war der Moment, in dem Olivia ihm von Jacks Amnesie erzählte. Dass Mr Hilliard die Neuigkeiten nur mit einer hochgezogenen Augenbraue bedachte, erinnerte sie daran, dass er Diplomat war. »Und mein Platz in dieser faszinierenden Geschichte?«
Olivia blickte auf. »Gibt es eine Möglichkeit, wie Sie uns helfen können, die Wahrheit herauszufinden? Wir wissen nicht, an wen wir uns sonst wenden sollen.«
Das Glas in der Hand, erhob Diccan Hilliard sich bedächtig und trat ans Fenster. »Hm«, murmelte er, »eine Herausforderung. Wie interessant.«
»Wir haben nicht viel Zeit, Diccan«, informierte Lady Kate ihn. »Du hast die Gerüchte gehört. Ich glaube, wir haben die belgische Gastfreundschaft schon zu sehr beansprucht.«
»Heimat ist dort, wo das Herz ist«, sagte Bea.
Abwesend nickte er. »Es ist sicherlich nicht gut, in einer immer kleiner werdenden Gemeinschaft zu bleiben. Man fängt an aufzufallen, und es gibt zu viele Augen, die einen beobachten.«
Lady Kate nickte. »Genau das haben wir auch gedacht.«
»Meinst du, der Gentleman, den du mir heute gezeigt hast, könnte zu der Gruppe von Leuten gehören, die auf der Suche nach Gracechurch ist?«, fragte er Lady Kate.
»Gentleman?«, wiederholte Olivia. »Was für ein Gentleman?«
»Vielleicht nur ein schüchterner Verehrer«, beschwichtigte Mr Hilliard.
Lady Kate zuckte mit den Schultern. »Oder ein Spion, der von einem der Dukes geschickt wurde, um zu sehen, ob ich mich benehme. Sie erinnern sich noch daran, dass ich Ihnen gesagt habe, dass sie gern über mein schlechtes Benehmen
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