Unverhofft kommt oft
nämlich noch nicht einmal die Zähne geputzt.“ Warum erzählte sie ihm das?
Er lachte erneut. „Rufst du aus einem bestimmten Grund an oder einfach nur, um mich auszufragen, was ich schon alles erledigt habe?“
„Ich wollte mich nur mal erkundigen, ob meine Bilder schon hängen.“
„Das tun sie, seit gestern. Ich habe sie nun doch schwarz eingerahmt, das sieht sehr eindrucksvoll aus. Komm doch mal in der Galerie vorbei und sieh sie dir selbst an.“
„Das werde ich machen, wenn ich die Zeit finde. Es kommt mir so vor, als würde ich nur noch in der Bäckerei stehen und nichts anderes mehr tun als Kunden anzulächeln, Gebäck einzutüten und die Kasse zu bedienen. Ich glaube, ich würde sterben, wenn ich das mein Leben lang tun müsste.“
„Es soll Menschen geben, denen genau dieser Job Spaß macht“, sagte Julian.
Sie dachten wohl beide an Roberta. Sie hatte ihre Aufgabe im Leben gefunden, sie stand gerne hinter der Theke und bediente fröhlich ihre Mitmenschen, Tag für Tag, immer mit einem Lächeln im Gesicht.
„Na, ich hoffe sehr, dass du bald Erfolg mit deinen Bildern hast und diese verhasste Tätigkeit nicht mehr tun musst. Es gab sogar schon ein paar interessierte Kunden, die davor stehengeblieben sind und die Bilder betrachtet haben.“
„Wirklich?“, freute sich Sofia.
„Ja. Es wird bestimmt nicht sehr lange dauern, bis sich das erste Bild verkauft. Ich werde mich auf jeden Fall sofort bei dir melden.“
„Tu das! Tag oder Nacht!“
„Also, nachts hat meine Galerie für gewöhnlich nicht auf, aber das wäre doch mal eine Idee für ein Special Event.“
„Ganz genau. Wenn du noch mehr solcher Einfälle brauchst, melde dich gern bei mir.“
Sie legte auf und sprang aus dem Bett. Es war bereits zwanzig nach sieben, um Punkt acht hatte sie im Laden zu stehen, sonst gäbe es gewaltigen Ärger mit Mamma Carla. Sie und Onkel Guido standen bereits seit 4:30 Uhr morgens in der Backstube, Roberta öffnete um 6:30 Uhr den Laden. Sie hatte noch Glück, dass man nicht auch von ihr erwartete, zu solch einer unmenschlichen Uhrzeit bereitzustehen, acht Uhr war schon nah an ihrer Schmerzensgrenze. Sie konnte es kaum erwarten, dass es ihrem Vater besser ging und sie endlich wieder ihrem gewohnten Rhythmus nachgehen konnte.
♥
Die Tage vergingen, jeder Tag war wie der vorherige. Früh aufstehen. Uniform an. Im Laden stehen. Kunden bedienen. Lieferungen ausfahren. Uniform aus. Nach Hause fahren. Reste aus dem Laden essen. Vielleicht noch ein bisschen malen, wenn sie nicht zu müde war, oder einfach ein bisschen vor dem Fernseher sitzen. Schlafen gehen. Das war alles. Es waren die langweiligsten Wochen ihres bisherigen Lebens.
Roberta war noch reservierter als sonst. Sie schien Sofia irgendwie zu meiden, auch wenn sie nicht wusste, warum. Sie hatte gedacht, alles wäre wieder in Ordnung zwischen ihnen. Wahrscheinlich passte ihr einfach die Tatsache nicht, dass sie mit Julian zu tun hatte.
Am Freitag war Sofias Geburtstag.
Ihre Mamma backte „aus Versehen“ ein Backblech ihrer Lieblings-Biscotti zu viel und gab sie ihr mit nach Hause, woraufhin sie eine Woche lang nur Biscotti aß und ihr am Ende ganz übel war.
Am Sonntag nach ihrem Geburtstag kochte Carla für sie und sagte ihr, sie dürfe ruhig jemanden zum Essen mitbringen, woraufhin sie Jenni einlud. Natürlich hatte ihre Mamma mit einer männlichen Begleitperson gerechnet, und war etwas enttäuscht, aber es wurde trotz allem ein schöner Nachmittag, an dem es all Sofias Leibspeisen gab: Focaccia mit Oliven, Lasagne, Tortellini al forno, Mammas berühmte Hackfleischbällchen, und zum Dessert Tiramisù und Zabaione.
Mit vollen Bäuchen erzählten sie alle dem Familienoberhaupt Francesco, was in seiner Abwesenheit im Laden passiert war. Er hörte wehmütig zu; beinahe zwei Wochen war er nun schon zu Hause und jeder konnte sehen, wie sehr er seine Bäckerei vermisste.
„Warum schlägst du deinem Papà nicht vor, was du Neues für seinen Laden einführen möchtest?“, fragte Guido und lachte Sofia schon aus, bevor sie überhaupt etwas gesagt hatte, während Carla ihm mit dem Finger drohte.
„Was hat meine Fifi für Ideen?“, wollte er wissen.
Sollte sie es wagen? „Ich dachte da an eine größere Auswahl von Kaffeesorten. Latte Macchiato mit verschiedenen Geschmacksrichtungen: Vanille, Haselnuss, Karamell.“
„Bist du des Wahnsinns?“, rief Francesco und alle lachten jetzt über Sofia, sogar
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