Unverhofft kommt oft
hatte.
6. Kapitel
Als Sofia an dem Abend in die Wohnung kam, lehnte ein Mann am Küchentresen. Er grinste sie an. „Hey.“
„Hey.“ Sie war etwas verwirrt, sah sich kurz nach allen Seiten um. „Darf ich mal fragen, wer Sie sind?“
Sie glaubte nicht, ihn schon einmal gesehen zu haben. Er war eher klein, hatte dunkles, kurzes Haar, und trug einen dunkelgrünen Cordanzug. Nicht gerade ihr Typ, aber doch irgendwie süß. War er etwa mit Jenni verabredet? Warum hatte sie ihr nichts erzählt?
„Johnny“, sagte er, lehnte sich vor und schüttelte ihr die Hand.
„Nett, dich kennenzulernen. Ich bin Sofia. Wo ist denn Jenni?“ Sie sah sich erneut um.
„Sie packt gerade ein paar ihrer Vasen ein. Ich wurde von Ruby Love geschickt, um sie abzuholen. Meiner Schwester gehört der Laden.“
Sofia wusste, wovon er sprach. Ruby Love war einer der Hippie-Läden in Haight Ashbury, der Jenni gern ihre Arbeiten abnahm. Sie schienen dort der Renner zu sein, besonders die kunterbunt lackierten.
„Ach so“, sagte sie etwas enttäuscht. Sie hätte sich wirklich für ihre Freundin gewünscht, dass diese mal wieder ausging. Sie hatte schon viel zu lange kein Date mehr gehabt. In letzter Zeit war der Fernseher anscheinend ihr bester Freund geworden. „Na, dann werde ich mal nach ihr sehen.“
Sie wollte ihm gerade noch etwas zu trinken anbieten, als sie ein Glas Wasser neben ihm auf dem Tresen entdeckte, das Jenni ihm bereits gegeben hatte.
Sie ging in Jennis Zimmer, entdeckte sie über einigen Kartons und zwischen Unmengen von Zeitungspapier, in die sie die Vasen wickelte. Als sie sie reinkommen sah, blickte sie lächelnd auf. „Hi, schon zu Hause?“
„Sag mal, was steht da denn für ein Schnuckelchen in unseren Reichen?“
„Das ist nur Johnny, er will meine Vasen abholen.“
„Ja, das hat er mir erzählt.“
„Vielleicht könntest du ihn ein bisschen beschäftigen? Ich hätte das hier längst zur Abholung bereit gehabt haben sollen. Bin vorhin bei alten Folgen von Love Boat hängen geblieben. Und im Nu war es Abend und er stand vor der Tür.“
„Du und deine Serien.“ Sofia schüttelte den Kopf.
„Ja, ich weiß. Ich habe sogar vergessen, etwas zu essen. Du hast nicht zufällig was mitgebracht?“
„Nur ein paar alte Brownies. Die sind von vorgestern.“
„Perfekt. Ich muss das hier nur schnell fertig machen.“
„Gut, dann lenke ich mal den Kleinen da drüben ein wenig ab und vertreibe ihm seine Langeweile.“
Sie marschierte zurück ins Wohnzimmer und sagte Johnny, er solle sich zu ihr setzen. Jenni sei jeden Moment fertig.
„Na, dann erzähl mal, Johnny, wo kommst du her?“
Er grinste wieder. Smalltalk. Na gut.
„Ursprünglich aus Fort Worth. Unsere Eltern sind aber schon mit uns nach San Francisco gezogen, als wir noch ganz kleine Kinder waren.“
„Mit uns meinst du dich und deine Schwester?“
„Ruby, ja, genau.“
„Ich kenne sie, sie ist sehr nett.“
„Und wo bist du aufgewachsen?“, fragte er nun seinerseits.
„Hier. Ich habe mein ganzes Leben in San Francisco verbracht. Die Stadt ist einfach perfekt für mich, alles ist so locker-lässig, genau wie ich. Weißt du, wenn man bei so traditionellen Eltern wie meinen aufwächst, dann will man wohl einfach nur seine Individualität entfalten.“
„Und, ist dir das gelungen?“
Sie strahlte. „Jap. Ich denke schon.“
„Was machst du beruflich?“
„Ich bin Künstlerin. Malerin. Eigentlich. Zurzeit muss ich in der Familienbäckerei aushelfen, weil mein Vater krank ist. Aber sobald er wieder gesund ist, kann ich wieder mein sorgloses Künstlerdasein genießen.“
„Mir geht es ähnlich. Ich helfe hier und da ein bisschen aus, habe keine Lust, mich schon festzulegen. Ich bin 24, wer will da schon den Rest seines Lebens planen?“
Das war doch mal ein Kerl nach Sofias Geschmack. Er hatte die gleichen Ansichten wie sie auch.
„Was sagen deine Eltern dazu?“, wollte sie interessiert wissen. „Meine finden meine Lebensweise nämlich gar nicht so toll und haben immer was zu meckern.“
„Ach, meine sind da ganz locker. Sie sind diese Art von Alt-Hippies, die ihre Kinder schon in jungen Jahren ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen, weißt du? Ich habe als kleiner Junge schon zum Frühstück Eis gegessen.“ Er lachte.
Sofia lachte auch. Sie empfand ein wenig Neid, obwohl sie wusste, dass sie sich über ihre Eltern nun wirklich nicht zu beschweren brauchte. Sie schenkten ihr Liebe, das war alles, was
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