Unverhofft kommt oft
Jenni stimmte ein. „Ich werde meinen traditionellen Laden doch nicht zu einer Art Coffee Xpress verkommen lassen!“
„Verkommen, Papà? Coffee Xpress ist der angesagteste Kaffeeladen! Geh mal in eine der Filialen, die haben unglaublich viele Sorten, und sowas von lecker. Damit könntest du deinen Umsatz ganz schön steigern.“
„Das kommt gar nicht in die Tüte. Lass Coffee Xpress Coffee Xpress bleiben und Francesco`s bleibt Francesco`s . Basta! Hast du sonst noch Vorschläge?“
Und ob sie die hatte: eine modernere Uniform – die jetzige bestand aus hässlichen braunen Kittel-Kleidern für die Frauen und braunen Hemden für die Männer, stets „ Francesco`s “ auf den Rücken graviert. Dann vielleicht ein paar Arbeitskräfte mehr, um Carla in der Backstube zu entlasten und ihn selbst vor einem weiteren Herzinfarkt zu bewahren. Ein neuer Lieferwagen wäre nicht schlecht, der alte machte nicht mehr lange mit. Und neue Öffnungszeiten, vor allem sonntags sollte die Bäckerei unbedingt geöffnet sein.
Aber sie ließ es bleiben. Sie wusste auch so schon, dass Francesco seiner Linie treu bleiben und absolut gar nichts im Laden ändern würde. Und im Grunde war das ja auch, was die Leute so an ihm schätzten, an ihm und seinem alten, traditionellen Laden, den man nur betreten musste, um sich ins Italien von 1950 zurückversetzt zu fühlen.
Sofia lächelte ihren Papà an. „Nein, du machst schon alles richtig, genauso, wie du es machst.“
Er drückte ihr einen Schmatzer auf die Wange und nahm ihre Hand: „Ich danke dir, Fifi, dass du für mich einspringst. Ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte.“
Sofia nahm den finsteren Blick ihrer Schwester Alessia wahr, den sie ihr zusandte.
„Ich glaube“, fuhr Francesco fort, „ich werde euch morgen mal im Laden besuchen kommen. Ich werde noch ganz wahnsinnig zu Hause ohne etwas zu tun.“
Oh je , dachte Sofia, hoffentlich erfülle ich auch seine Erwartungen. Dann muss ich mir morgen wohl doch mal ein Beispiel an Roberta nehmen und ein Dauerlächeln aufsetzen. Sie begann gleich jetzt und lächelte, was das Zeug hielt.
♥
Zwei Tage später war Sofia abends nach Dienstschluss gerade dabei, sich in dem kleinen Aufenthaltsraum umzuziehen, als die Tür aufging und Tom vor ihr stand. Mist, sie hatte vergessen, das Schild draußen anzuhängen, das besagte, dass gerade jemand drinnen war und nicht gestört werden wollte.
„Oh, entschuldige bitte“, sagte Tom, bewegte sich aber nicht vom Fleck. Er stand in der Tür und starrte sie an.
„Tom!“, rüttelte Sofia, die nur in Unterhose und BH dastand, ihn wach. „Würdest du bitte gehen?“
„Oh, entschuldige“, sagte er wieder und humpelte davon.
Was war das denn gerade? , fragte sie sich. Ihr fiel ein Vorfall von letzter Woche ein. Sie und Tom waren versehentlich zusammengestoßen und er hatte sie ein wenig zu lange am Arm gehalten. Konnte es sein, dass Roberta recht hatte? Mochte er sie tatsächlich noch immer? Nach all den Jahren? Nach der Hochzeit mit Alessia, die sein Baby im Bauch trug? Das war doch Schwachsinn! Zwischen ihnen war nie etwas gewesen. Ja, sie wusste, dass er damals zu High School Zeiten schwer in sie verknallt gewesen war, doch sie hatte diese Zuneigung niemals erwidert und war richtig erleichtert gewesen, als er sich auf einmal für die andere Schwester zu interessieren schien. Er war von da an immer bei Familienfeiern dabei gewesen, war ein Teil der Familie geworden.
Sie war froh, Tom zum Schwager zu haben, er war kein schlechter Kerl und Alessia schien sehr glücklich. Obwohl sie, wenn sie ehrlich war, eine gewisse Spannung empfand, seit sie im Laden mithalf. Sie wusste nicht, warum Alessia plötzlich so abweisend ihr gegenüber war. Die besten Freundinnen waren sie nie gewesen, so wie es andere Schwestern in ihrer Kindheit waren. Alessia hatte sich immer ein wenig in den Hintergrund gestellt gefühlt, war oft eifersüchtig auf Sofia gewesen, wie sie ihr mehr als einmal gestanden hatte – völlig ohne Grund, wie Sofia empfand. Ihre Eltern hatten sie beide immer gleich behandelt. Wenn schon, dann war Alessia immer das verwöhnte Nesthäkchen gewesen; von Sofia hatte man als die Ältere immer mehr erwartet, und alles, was sie getan hatte, war Mamma und Papà zu enttäuschen. Sie sollte beleidigt sein – war sie aber nicht. Sie freute sich ehrlich für Alessia, dass sie ihr Glück gefunden hatte, auch wenn sie selbst eine andere Vorstellung von Glück
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