Unvermeidlich
Leiche.“
Ich würde ihm gerne glauben.
19.
Es ist kein guter Tag für Kati und mich, um Seite an Seite im Trudi’s zu arbeiten. Wir stehen beide völlig neben uns.
Ich war heute Morgen beim Anwalt und sollte eigentlich zuversichtlich sein. Thomas hat alles getan, um mich zu beruhigen. Er hat sämtliche Daten und Fakten aktualisiert und ist bereit, sofort zu reagieren, sollte von Steffen tatsächlich ein Antrag auf alleiniges Sorgerecht kommen. Auch er ist der Meinung, dass es für ihn absolut aussichtslos ist. Mein Verstand sagt mir das Gleiche, aber mein Gefühl ist ein ganz anderes. Das ist noch nicht vorbei.
Kati ist heute auch nur körperlich anwesend und bemerkt deswegen meine Verwirrung kaum. Sie habe ich weinend in der Backstube gefunden, als ich meine Schicht angetreten habe. Zuerst dachte ich, es wäre etwas mit dem Baby, aber die Ursache für ihre Traurigkeit ist kaum weniger schlimm. Paul hat seinem Vater von der Schwangerschaft erzählt und der hat daraufhin Kati bitterböse beschimpft. Natürlich hat Paul das nicht stumm auf sich sitzen lassen und ihm ordentlich die Meinung gegeigt. Das ändert aber nichts an ihrer Erschütterung. Ich denke, es war der letzte Versuch, das Verhältnis zu Pauls Vater zu kitten.
Nachdem ihr zweimal Kaffeebecher aus der Hand gerutscht und auf dem Boden zerschmettert sind, habe ich sie mit einem Kamillentee im Pappbecher an ihren Schreibtisch geschickt, wo sie sich um die Buchhaltung kümmert und hoffentlich keinen weiteren Schaden anrichtet. Ich sollte meinem Bruder Bescheid geben, dass es ihr schlecht geht, aber Kati hat das vehement abgewehrt.
Wie jeden Montagnachmittag ist wenig Betrieb im Trudi’s und heute bin ich dafür ausnahmsweise einmal dankbar. Auch weil meine Mutter Anna gerade vorbeigebracht hat, die jetzt an einem kleinen Tisch hinter der Theke sitzt und konzentriert an einem Hundebild malt.
Mehrere Farbfächer auf der Arbeitsfläche vor mir ausgebreitet, versuche ich, eine Farbe für die Ladenrenovierung auszusuchen. Mir gefallen die dunklen Braun- und Lilatöne, doch Kati ist das zu dunkel. Ich weiß nicht, ob wir uns jemals einig werden, aber sie will ja unbedingt meine Meinung dazu hören.
Mein vibrierendes Handy in der Hosentasche schreckt mich aus meinen Überlegungen. Es ist Alex, der mir einfach nur sagen will, dass er an mich denkt. Lächelnd überlege ich, was ich ihm antworten könnte. Sofort spüre ich wieder dieses Flattern in der Magengegend, dass ich gerne ignorieren würde, wenn ich könnte.
„Das müssen ja gute Nachrichten sein.“ Die Stimme meines Vaters lässt mich zusammenzucken. Beinahe rutscht mir das Handy in das kleine Spülbecken neben mir. Obwohl der Laden leer ist, habe ich ihn nicht reinkommen sehen. Ich habe ihn nicht mehr getroffen, seit dem etwas unangenehmen Vorfall in seinem Garten. Bis jetzt bin ich mir nicht sicher, ob er weiß, was passiert ist, oder ob er es nur vermutet. Auch habe ich keine Ahnung, ob er mit meiner Mutter darüber geredet hat.
„Ist nichts Wichtiges“, winke ich ab und schiebe das Handy wieder in meine Tasche.
„Bist du sicher?“, fragt er mit einem Blick auf Anna, die ihn noch nicht bemerkt hat.
„Ganz sicher. Was machst du hier? Ich dachte, du bist mit Mama shoppen.“
Zum Glück kommt ein Kunde dazwischen und zeitgleich entdeckt Anna ihren Opa, den sie auch gleich stürmisch begrüßt, obwohl sie ihn vor 2 Stunden noch gesehen hat. Geduldig bewundert mein Vater das Hundebild und unterhält sich weiter über die Theke mit mir, während ich dem Kunden eine Großbestellung Cappuccino für eines der umliegenden Büros fertigmache.
„Deine Mutter hat spontan beschlossen, sich beim Friseur den Ansatz nachfärben zu lassen. Oder etwas in der Art. Keine Ahnung …“ Die Tatsache, dass er mir dabei nicht in die Augen sehen kann und Friseure üblicherweise montags geschlossen haben, kommentiere ich nicht. Sonst müsste ich ja nachfragen, warum er wirklich hier ist. Es ist offensichtlich. Meine Mama ist wahrscheinlich Schuhe kaufen, oder etwas Ähnliches, und er hat sich einfach abgesetzt.
„Kann ich dir was bringen?“, frage ich, nachdem ich den Kunden abgerechnet habe. Mein Vater hat sich mit Anna hingesetzt und zeigt ihr, wie sie ihr Bild verbessern kann. Ich liebe meinen Papa für die Geduld, die er für mein Kind aufbringt und Anna klammert sich an diese männliche Aufmerksamkeit. Außerdem ist sie eine kleine Perfektionistin und liebt nichts mehr,
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