Unwiderstehlich untot
bereit.« Er strich eine Locke hinter mein Ohr, und unsere Blicke trafen sich. »Hast du an etwas Bestimmtes gedacht?«
Ich befeuchtete mir die Lippen und versuchte, nicht daran zu denken, was fünfhundert Jahre Erfahrung bedeuten konnten. »N-nein, eigentlich nicht.«
»Ich schätze, dann müssen wir improvisieren.« Er drückte mich in die sündhaft weichen Couchkissen und küsste mich. Als seine Zunge meine berührte, begann mein Gehirn plötzlich damit, lauter interessante Möglichkeiten vorzuschlagen.
Und dann tönte die Stimme des Piloten aus dem Lautsprecher und verkündete, dass wir gelandet waren. Was mich überraschte, denn ich hatte gar nichts vom Landeanflug bemerkt.
»Wir könnten eine Weile hierbleiben«, sagte jemand, der wie ich klang. Es klang atemlos.
Mircea küsste mich erneut, diesmal nur kurz, und stand auf »Eine verlockende Vorstellung. Aber ich muss gehen.«
»Du meinst, wir müssen gehen.«
»Ich habe dich mitgenommen, damit du in Sicherheit bist, nicht um dich neuen Gefahren auszusetzen.« Er wollte weggehen, aber ich hielt ihn am Ärmel fest und schaffte es, einige Falten in den glatten Stoff zu bringen.
»Gefahren? Ich dachte, du besuchst deinen Bruder.«
»Ja. Und du bleibst hier. Radu hat einige Probleme, und ich möchte nicht, dass du in sie verwickelt wirst.«
»Vielleicht kann ich helfen«, sagte ich und stand auf. Das heü3t, ich versuchte aufzustehen, aber mein Arm hing fest.
Als ich den Blick senkte, sah ich eine vertraute silberne Schelle am Handgelenk. Ich zog daran, aber das andere Ende war mit etwas unter dem dicken Leder der Couch verbunden, vermutlich mit dem Gestell. Verdammt, ich hatte nicht aufgepasst!
»Mircea!«
»Es dauert bestimmt nicht lange, und man wird sich während meiner Abwesenheit gut um dich kümmern«, sagte Mircea. Dann ging er einfach.
Ich schrie und zerrte laut genug an den Handschellen, um Tote zu wecken, aber niemand kam, um mir zu helfen. Kurz entschlossen sprang ich und landete draußen auf dem Rollfeld, neben der Boeing und noch immer mit der Couch verbunden – Mircea fuhr gerade weg. Ich wusste nicht, wo Radu wohnte, konnte ihm also nicht folgen. Außerdem war ich wohl kaum von großem Nutzen, wenn ich ein großes Möbelstück mit mir herumschleppte.
Ich sprang zornig ins Flugzeug zurück, und ein Geist erschien. Das erforderte normalerweise gar keinen Kommentar, da mir so etwas dauernd passierte – es war einer der ärgerlichen Nachteile, eine Hellseherin zu sein. Aber hier lag der Fall ein wenig anders, denn es handelte sich um einen Geist, den ich kannte.
Billy Joe trug noch immer den gleichen feschen Stetson und das rote Rüschenhemd wie vor hundertfünfzig Jahren. Für gewöhnlich war das Hemd karmesinrot und sprang ins Auge, aber diesmal wirkte es verblasst, als hätte es zu lange in der Sonne gehangen. Es war ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich Billys Energieniveau der Nullmarke näherte.
»Fang nicht an«, sagte ich, bevor er den Mund öffnen konnte. »Ich habe nach dir gesucht, bevor wir aufbrachen. Ich wusste, dass du eine Aufladung brauchst.« Billy und ich hatten vor einer ganzen Weile die Vereinbarung getroffen, dass er Kraft von mir bekam, wenn er mir Informationen lieferte. Beide Seiten bekamen nicht ganz das aus der Abmachung, was sie sich wünschten, aber es war besser als gar nichts.
»Da hast du verdammt recht! Ich brauche eine ordentliche Aufladung, aber deshalb bin ich nicht hier.« Er bemerkte die Schelle an meinem Handgelenk und grinste. »Du und der Vampir, auf die perverse Tour, wie?«
»Er wollte nicht, dass ich ihm folge.«
»Und deshalb hat er dich festgebunden?« Billy lachte. »Hattest du vorher wenigstens Spaß?«
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu. Die Haut an meinem Handgelenk brannte dort, wo Mircea mich berührt hatte, und von dort aus breitete sich die Hitze bis zu meinen Wangen aus. »Nur weil du dazu neigst, zu jedem beliebigen Zeitpunkt bei mir aufzukreuzen, ob Tag oder Nacht, hast du noch lange nicht das Recht…«
»Wohl nicht«, sagte Billy und pflanzte seinen substanzlosen Hintern auf die Couch. »Befrei dich von den Handschellen und lass uns gehen. Ein wichtiges Treffen erwartet dich.«
»Wenn ich wüsste, wie man sich davon befreit, hätte ich das bereits getan«, erwiderte ich gereizt. »Und was für ein Treffen?«
»Oh, ich weiß nicht. Gibt es da nicht eins, das du seit drei Tagen zu arrangieren versuchst?«
Es dauerte einige Sekunden, bis bei mir der Groschen fiel.
Weitere Kostenlose Bücher