Unwiderstehlich untot
Seit Apollo ins Spiel gekommen war, drängte Pritkin den Kreis, sich mit mir zu treffen. Aber ich hatte nicht erwartet, dass seine Bemühungen zu irgendetwas führten. Pritkin war einmal selbst Mitglied des Kreises gewesen und wegen seiner Unterstützt für mich in Ungnade gefallen. Ich hatte angenommen, dass die Magier nicht nur meinen Kopf auf einem silbernen Tablett wollten, sondern auch seinen, direkt daneben.
»Der Kreis will sich mit mir treffen? Seit wann?«
Billy verdrehte die Augen. »Seit gestern. Die Nachricht kam kurz nachdem du losgezogen bist. Liest du keine Mitteilungen?«
»Welche Mitteilungen? Ich habe keine Mitteilungen bekommen!«
»Pritkin ist mindestens zehnmal zu dir gegangen, aber du warst nie da. Also begann er damit, dem großen Typen Zettel für dich zu geben.«
»Marco?«
»Ja, den meine ich.«
»Marco hat mir nichts gegeben.« Er hatte die Zettel nicht einmal erwähnt, ebenso wenig wie Pritkin oder das Treffen. Offenbar hatte er recht – wir hatten tatsächlich ein Kommunikationsproblem.
Billy zuckte mit den Schultern. »Vermutlich hat Mircea ihm befohlen, dir nichts zu verraten.«
Ich öffnete den Mund, um zu sagen, dass Mircea so etwas nicht tun würde, aber ich schloss ihn wieder, bevor die Worte herauskamen. Wem wollte ich etwas vormachen? Und ob Mircea so etwas tun würde!
»Dem Senat gefällt die Vorstellung von einer Pythia unter seiner Kontrolle«, überlegte ich laut. »Und wenn der Kreis und ich uns einig werden…«
»Es könnte deine Position festigen«, sagte Billy.
»Deshalb hat Mircea den Auftrag erhalten, mich vor dem Treffen aufs Abstellgleis zu schieben.« Ich dachte an die Szene vor dem Spiegel, und erneut glühten meine Wangen. Ich war also so wertvoll für ihn, dass er mich nicht verlieren wollte, wie?
»Äh, Cass?« Billy sah mich komisch an. »Das Treffen findet im Dante’s statt – Pritkin hat darauf bestanden. Neutraler Boden, meinte er. Jedenfalls, uns bleibt weniger als eine Stunde, bis dort die ersten Magier erscheinen.«
Ich wollte aufstehen, aber die Handschellen rissen mich zurück. »Ich bin an ein Sofa gefesselt«, stellte ich fest. Billy grinste erneut. »Pritkin könnte dir die Handschellen abnehmen.«
Ich seufzte. Ja, aber das würde ewig an mir kleben bleiben. »Wo ist er?«, fragte ich resigniert. »In seinem Zimmer«, antwortete Billy. »Ich glaube, du passt hinein. Wenn wir schieben.«
Ich seufzte einmal mehr. Von wegen. Und dann sprang ich.
Pritkin hatte wie ich eine bessere Unterkunft bekommen. Sie war größer als seine alte, aber vorsichtshalber landete ich im Flur. Die große Ledercouch fiel Marcos Freund auf den Kopf. Er war ein Vampir, und das Sofa war leicht für Reisen an Bord eines Flugzeugs, deshalb machte es ihm kaum etwas aus. Allerdings stimmte ihn der kleine Zwischenfall auch nicht besonders glücklich.
»Marco meinte, dass Sie vielleicht hier auftauchen«, sagte er, hob die Couch und stellte sie beiseite. »Er meinte auch, dass Sie nicht mit dem Magier sprechen dürfen.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Ich spreche, mit wem es mir gefällt«, erwiderte ich und versuchte, das Sofa zur Seite zu ziehen, damit ich an die Tür klopfen konnte.
Der Bursche stellte den Fuß aufs nächste Couchkissen und holte sein Handy hervor. »Sie ist zurück«, sagte er, während ich zog und zerrte, ohne dass es etwas nützte. »Marco meint, dass ich Sie nach oben bringen soll«, wurde mir mitgeteilt.
»Mit welcher Armee?«, fragte ich. »Und nehmen Sie den Fuß von meinem Sofa.«
Der Vampir betrachtete kurz mein ledernes Anhängsel und sah dann zum Lift. Seine Denkvorgänge schienen nicht besonders schnell zu sein, aber er kam zu dem richtigen Schluss: Das Sofa passte nicht in den Aufzug. »Ich muss es in zwei Teile brechen«, sagte er und griff nach dem anderen Ende. »Tut mir leid, aber der Herr kauft Ihnen bestimmt ein anderes.«
»Das Sofa gehört Mircea«, sagte ich schnell. »Und er hängt sehr daran.« Der Bursche musterte mich argwöhnisch. »An einem Sofa?«
»Es ist ein Designer-Modell, ein Original, handgefärbt, damit es farblich zu den anderen Möbeln in seiner Boeing passt. Wenn Sie es versauen, findet er nie ein anderes, das ebenso gut passt. Das neue würde auffallen wie ein bunter Hund. Es wäre sicher schipeinlich.«
Wir starrten uns fast eine halbe Minute lang an, und der Vampir blinzelte zuerst. »Ich möchte den Herrn nicht in Verlegenheit bringen«, sagte er langsam und holte erneut sein Handy hervor.
Weitere Kostenlose Bücher