Unwiderstehlich untot
Haars, seine gelegentlichen Heldentaten ließen mein Herz schneller klopfen, und sein ständiges Meckern weckte in mir den Wunsch, ihn mit einem Kuss zum Schweigen zu bringen. Ich musste feststellen: Inzwischen lag mir mehr an ihm, als mir lieb war.
Und deshalb hatte ich ihn verloren.
»… Riss… Jetzt!« Der verstümmelte Satz war so laut, dass er mir fast das Trommelfell zerriss. Und nie in meinem Leben hatte ich mich mehr darüber gefreut, etwas zu hören.
»Ich bin schon draußen! Such nicht mehr nach mir!«, rief ich, aber der Wind wehte die Hälfte der Worte weg.
»Ist alles… Ordnung mit dir? Kannst du… bevor…«
»Hör auf zu reden! Warum redest du noch? Komm heraus, verdammt!«
»… der Boden. Bleib…«
»Hör auf? Hör auf, hör auf? Hör auf damit, mir Befehle zu geben, und komm endlich da raus!«
Wenn er eine Antwort gab, hörte ich sie nicht, denn der Himmel explodierte. Blaue Blitze waren durch die brodelnden Wolken geflackert, und ein besonders großer zuckte dem Boden entgegen – er traf einen nahen Hügel mit solcher Wucht, dass Sand einen halben Kilometer weit in die Luft geschleudert wurde. Ich duckte mich und hielt die Arme über den Kopf, als der emporgeworfene Sand herabregnete. Und dann legte sich mir eine Hand auf die Schulter.
Ich drehte mich dankbar und wütend um, hatte bereits den einen oder anderen passenden Kommentar auf der Zunge… und sah in das Gesicht eines Fremden. Er war groß, hatte in Stacheln abstehendes schwarzes Haar und erschrocken starrende nussbraune Augen. Der Bursche sah ziemlich irre aus, fand ich. Und dann blitzte mein Schutzzauber und warf ihn zehn Meter zurück.
Ich beobachtete, wie er durch die Nacht flog, wirbelte herum und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Ein Blitz schlug in der Nähe ein, und mit dem Donner kam eine Druckwelle, die mich zu Boden schleuderte. Sofort rappelte ich mich wieder auf, machte einen Schritt, stolperte und wäre fast den Hang des Hügels hinuntergefallen. Zorn stieg in mir auf. Ich hatte es satt, vor Leuten fliehen zu müssen, die eigentlich meine Verbündeten sein sollten, während ich gleichzeitig gegen meine und auch ihre Feinde kämpfte. Und wo zum Teufel steckte Pritkin?
Statische Elektrizität bewirkte, dass mir meine Locken ins Gesicht tanzten und sich die Härchen meiner Arme aufrichteten. Ich sah zu dem irren Burschen zurück, dem Magier, der im Moment nicht besonders gefährlich zu sein schien. Nach der unsanften Landung hatte er sich nicht gerührt und lag wie eine zerbrochene Puppe da. Ich blieb stehen, und das Herz klopfte mir bis zum Hals, als der Fluchtreflex die Beine zwingen wollte weiterzulaufen. Schweiß brach mir aus.
Normalerweise hätte ich keine Anteilnahme vergeudet, denn mein Schutzzauber wurde nur bei ernster Gefahr aktiv. Hinzu kam die Tatsache, dass der Reglose dort auf dem Boden zu den Leuten gehörte, die gerade versucht hatten, mich um die Ecke zu bringen. Was eigentlich Grund genug war, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. Trotzdem, ich konnte nicht weg. Denn der Bursche war mit dem Gesicht nach unten in einem Haufen aus losem Sand gelandet – er konnte ersticken.
Der Wind warf mein Haar hin und her, während ich mit einer Entscheidung rang, bei der es vielleicht um Leben oder Tod ging. Mir fehlte Pritkins Wissen Über Magie. Mein einziger Schutz bestand aus dem speziellen Zauber und meiner Fähigkeit zu springen, und beides war nicht unerschöpflich. Den Mann ersticken zu lassen, war vielleicht die einzige sichere Möglichkeit, ihn daran zu hindern, mich zu einem Gerichtsverfahren mit anschließender Hinrichtung zu bringen.
Aber so viel Unbarmherzigkeit steckte einfach nicht in mir. Und was noch wichtiger war: Ich wollte vermeiden, mir jemals so viel Unbarmherzigkeit anzueignen.
Ich spürte jenes kalte Schaudern in der Brust, das für gewöhnlich eine große Dummheit ankündigte. Rasch lief ich zu ihm und wollte ihn mit dem Fuß auf den Rücken drehen, aber der verdammte Mantel wog eine Tonne, und der Typ darin war nicht unbedingt ein Leichtgewicht. Als es mir schließlich gelang, ihn umzudrehen, war ich außer Atem geraten, und der Magier hatte sich noch immer nicht bewegt. »He.« Ich schüttelte ihn, was jedoch kaum etwas zu nützen schien. »He, Sie!« Ich schlug ihm ins Gesicht. »Kommen Sie bloß nicht auf die Idee, einfach so zu sterben!«
Er antwortete nicht. Und er versuchte auch nicht, mich zu packen. Er lag einfach nur da, reglos und schlaff.
»Ich
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