Unwiderstehlich untot
Stöckelschuhen, die wie durch ein Wunder an meinen Füßen geblieben waren. Immer wieder stieß ich damit gegen Steine im Wasser, und mehrmals wäre ich fast gefallen. Die ganze Zeit über sah ich mich voller Ehrfurcht um – alles war sengend heiß und atemberaubend schön.
Es dauerte einige Momente, bis ich merkte, dass mich die anderen seltsam ansahen. Ich lachte fast ausgelassen. Wir hatten es geschafft. Wir steckten voller Staub, waren nass und hatten rote Gesichter, aber wir lebten noch. Rafe grinste mit mir, und ein Sekunden später erlaubte sich selbst Caleb ein Lächeln.
Schließlich erreichten wir einen kleinen Wohnwagenplatz. Die meisten von weißen Streifen markierten Plätze waren leer, abgehsehen von Staub und Steinen Es war Sommer und nur wenige Leute hielten fünfundvierzig Grad im Schatten für prächtigen Urlaubsspaß.
Ich beobachtete, wie Staubteufel kleinen Wirbelstürmen über den Sand strichen, während die Jungs einen der Wohnwagen aufbrachen, die hier das ganze
Jahr standen. Er war klein und rund, schien aus der gleichen Zeit zu stammen wie der Wagen, den wir versenkt hatten. Die Seitenwände bestanden aus Aluminium und hinzu kam ein kleines Terrassendach. Eine recht angeschlagen wirkende Geißblattrebe gab sich alle Mühe, Letzteres zu dekorieren, zusammen mit einem Windspiel aus alten Gabeln.
Sie klirrten in der starken, vom See kommenden Brise, als sich die Tür öffnete und Rafe aus dem Wohnwagen kam. »Kein Telefon«, teilte er mir mit. Ich hatte auch nicht mit einem gerechnet und zuckte mit den Schultern. In der einen Hand hielt Rafe eine große gelbweiße Flasche Sonnenschutzmittel. »Ich hab etwas Geld auf den Tisch gelegt«, sagte er, als befürchtete er, ich könnte ihn für einen Dieb halten.
»Hält achtzig Prozent der UV-Strahlung fern«, las ich und sah Rafe skeptisch an. »Glaubst du, das hilft uns weiter?«
»Unter den gegenwärtigen Umständen bin ich bereit, alles zu probieren«, sagte er und strich sich das milchige Zeug ins Gesicht und auf die Hände. Das Seewasser hatte den größten Teil des roten Staubs abgewaschen, aber Rafes Gesicht war noch immer knallrot. Die Mittagssonne setzte Vampiren sehr zu.
»Hier.« Pritkin sah aus dem Wohnwagen und reichte mir eine Flasche mit warmem Wasser. Beim Schwimmen zum Ufer hatte ich mindestens einen Liter geschluckt, und deshalb gab ich sie an Rotschopf weiter, der ein bisschen schlottrig wirkte. Pritkins Schuss mochte nicht tödlich gewesen sein, aber der Bursche hatte viel Blut verloren. Er brauchte medizinische Hilfe, und wir alle mussten aus der Hitze.
Tremaine kam kurze Zeit später aus dem Wohnwagen und trug mehrere Liegestühle aus Plastik. »Ich gehe den Weg hoch zum Kartenkiosk«, sagte er. »Vielleicht gibt es dort ein funktionierendes Telefon.«
»Begleitest du ihn?«, wandte sich Caleb an Pritkin, als Rafe und ich Rotschopf auf einen der Liegestühle halfen. »Das hatte ich eigentlich nicht geplant. Warum?«
»Er ist ein Verurteilter. Das alles ändert nichts daran.«
»Auch Cassie und ich werden steckbrieflich gesucht«, sagte Pritkin. »Hast du vor, uns dem Kreis zu übergeben?«
»Ich habe vor, meinen Job zu erledigen«, erwiderte Caleb. »Oder glaubst du, ich sollte auch den hier entwischen lassen?« Er stieß Rotschopf mit dem Knie an. Rotschopf spuckte Wasser, und in seinem Gesicht erschien vage Hoffnung. »Wo ziehen wir die Grenze, John?«
»Du weißt, was er getan hat.«
»Ich weiß auch, was du getan hast, angeblich.«
»Und ich dachte, du würdest mich gut genug kennen, derartigen Unsinn nicht zu glauben.« Die beiden Männer starrten sich einige Sekunden lang an, während Rotschopf und ich Rate dabei beobachteten, wie er sich mit noch mehr Sonnenschutzmittel beschmierte.
Caleb fluchte. »Du musst zum Kreis. Du musst dafür sorgen, dass dies
aufhört. Wenn ein Irrtum vorliegt und sie wirklich die rechtmäßige Pythia ist, sollten alle darüber Bescheid wissen.«
»Sag es ihnen«, erwiderte Pritkin scharf. »Schluss mit Gerüchten und irgendwelchen Memos von oben. Berichte davon, was du gehört und gesehen hast. Erzähl von deinen Erlebnissen. Aber wundere dich nicht, wenn du dafür in einer Gefängniszelle landest.«
Er und Tremaine gingen ohne ein weiteres Wort los, und Caleb setzte sich, lehnte den Rücken an den Wohnwagen, verschränkte die Arme, schnitt eine finstere Miene und beobachtete seinen Gefangenen. Ich hatte keine Ahnung, warum er es für nötig hielt, ihn im Auge zu behalten.
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