Unwiderstehliches Verlangen
lustig, interessant und vor allem so unbekümmert wie möglich. Für sie war es einfach wunderbar, daß ihr eine aufregende und berühmte Frau wie Jackie so vertrauliche und intime Briefe schrieb. Jackie mußte den Eindruck gewinnen, daß Terri weit über ihr Alter hinaus gereift war, da sie, statt ebenfalls die Chance zu ergreifen und etwas von der Welt zu sehen, klugerweise beschlossen hatte, daheim zu bleiben, eine Familie zu gründen und sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen.
Terri gab sich die größte Mühe, ihrer Freundin diese Illusionen nicht zu nehmen. Oh, sie schlug auch manchmal einen ironischen Ton an und sparte nicht mit witzigen Bemerkungen über Ralph und die Jungen. Doch es gelang ihr immer, ihr häusliches Leben in strahlenden Farben zu malen, auch wenn sie sich gelegentlich ein wenig über sich lustig machte. Sie erweckte den Eindruck, daß sie, falls sie die ganze Wahrheit schriebe, sich nur in Selbstgefälligkeit ergehen müßte.
In Wirklichkeit hatte Terri den ersten Mann, der ihr einen Antrag machte, nur geheiratet, weil sie fürchtete, sie würde sonst als alte Jungfer enden. Er wollte zunächst gar keine Kinder haben. Aber sie hatte solche Angst, er könnte sie wieder verlassen, daß sie schon in der Hochzeitsnacht schwanger wurde — oder vielleicht sogar eine Woche vorher, so genau wußte sie das nicht mehr. So verschwieg sie Jackie in ihren Briefen, wie es wirklich in ihrer Ehe zuging. Daß ihr Mann die ganze Zeit nur mit seinen Freunden umherzog und Bier trank und, wenn er mal zu Hause war, sich die Zeitung vors Gesicht hielt und schlief.
Alles, was sie Jackie mitteilte, hörte sich an wie in einem heiteren Familienroman. Sie erzählte ihr von dem Garten, in dem ihr Mann und sie frisches Gemüse und Kräuter für die Jungen zögen. In Wirklichkeit hatte ihr Mann in vier Jahren viermal seine Stellung verloren, und ihr Vater hatte ihr ein kleines Gemüsegärtchen geschenkt, damit die Familie immer etwas zu essen hatte. Tatsächlich waren die Jungen nach ihrem Vater geraten und wollten überhaupt kein Gemüse anrühren. Terri verbrachte daher viele Stunden damit, es einzumachen und die Weckgläser bei einem ledigen Schweinezüchter gegen Fleisch einzutauschen, auf das ihre Männer so scharf waren. Terri schrieb an Jackie, daß Ralph jeden Sonntag mit seiner Familie verbrächte. In Wirklichkeit schlief er seinen Rausch vom Samstagabend aus. Sie wurde nicht müde, Jackie zu schildern, wie ruhig und zufriedenstellend ihr Familienleben wäre. Sie malte in den leuchtendsten Farben aus, wie die kleinen Kinderhände ihr Blumen brachten und die kleinen Münder ihr köstliches Gemüse mit Genuß verzehrten. Alles, was an Erfindungsgabe in Terri steckte, verwandte sie auf die Schilderung einer idealen Familie.
Das Entwerfen und Schreiben dieser Briefe half Terri über die schlimmsten Zeiten ihres Lebens hinweg. Während einer ihrer großen, kräftigen Bengels das kleine Nachbarmädchen terrorisierte und der zweite einen Teller mit Essen, das ihm nicht schmeckte, an die Küchenwand warf, während Terri sich im Badezimmer zu Beginn ihrer dritten Schwangerschaft übergab, dachte sie unermüdlich über den nächsten Brief an Jackie nach.
Als die Jungen heranwuchsen und ebenso stark wie ihr Vater wurden, waren sie überhaupt nicht mehr zu bändigen. Darum wurde ihr der Briefwechsel mit Jackie immer wichtiger. Für ihren Mann bestand Kindererziehung in der Maxime: Je gemeiner sich die Jungen benahmen, desto mehr bewiesen sie ihre gesunde Männlichkeit. Je öfter sie in der Schule Schwierigkeiten bekamen, um so stolzer war er auf sie. Terri versuchte ihn zwar zur Einsicht zu bringen und sagte ihm, daß es falsch sei, sie noch in ihrem sträflichen Benehmen zu unterstützen. Als Antwort erklärte er ihr, er sei ebenso aufgewachsen und sei doch ein toller Mann geworden. Klugerweise verkniff sich Terri die Bemerkung, daß er nie in der Lage gewesen war, länger als acht Monate eine Stellung zu halten, weil er sich immer mit seinen Chefs herumstritt. Seine Söhne gerieten ihm nach. Sie stritten mit ihren Lehrern, mit den erwachsenen Nachbarn und mit Ladeninhabern - im Grunde mit jedem, der ihnen in den Weg kam.
Terris wahres Leben hatte sehr wenig Ähnlichkeit mit dem, was sie in ihren Briefen beschrieb. Inzwischen waren ihre großen, tölpelhaften Söhne fast erwachsen und ließen sich nur noch selten zu Hause blicken. So waren die einzigen Glanzpunkte in Terris Leben die Stunden, in denen sie Jackie
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